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Normale Version: Fragen an die Eltern
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Liebes Forum,

mein Vater ist am 05.03. gestorben. Ich wollte ihn immer fragen, warum mir nie einer geholfen hat, sich um meine Schwester zu kümmern. Ich habe es immer vor mich her geschoben. Jetzt ist es zu spät. Ich bereue es sehr, das ich meine Eltern, meine Mutter ist schon lange tot, nicht gefragt habe. Ich hätte aber eh wahrscheinlich keine Antwort darauf bekommen, die mir das ganze hätte erklären können.

Mich würde mal interessiern, was eure Eltern so gesagt haben, wenn ihr den Mut aufgebracht habt zu fragen, warum wir als Geschwister Aufgaben übernehmen, die doch eigentlich die Eltern übernehmer sollten, oder warum man es zumindest nicht gedankt bekommt.

Fragen, die mich immer wieder beschäftigen, und auf die ich nie eine Antwort bekomme.

Am Freitag ist die Beerdigung. Meine Schwester ist jetzt schon sehr aggressiv. Das merke ich, wenn ich mit ihr telefoniere. Es wird so sein, wie bei dem Tod meiner Mutter. Sie kann die Trauer nur durch Wut ausdrücken. Meine Gefühle sind da eher gespalten. Ich wünsche mir einfach mal eine Zeit, es muss ja nicht lange sein, die mal ruhig verläuft. Vielleicht mal so ein Jahr. Das wäre toll.

LG
Liebe Maulwürfel,
Du hast hier ja schon öfter über Deine zwiespältigen Gefühle gegenüber Deinem Vater geschrieben, die Du auch jetzt empfindest. Da ist die Trauer, aber es bleibt auch die Enttäuschung, dass er Dich nicht unterstützt hat. Das wird sicher auch noch eine Weile so bleiben, bis Du hoffentlich Deinen Frieden mit ihm machen kannst - für Dich, denn nun läßt sich ja nichts mehr ändern.
Vielleicht hast Du auch das Gefühl, jetzt endgültig alleine zu stehen, wenn es um Deine Schwester geht - nur, faktisch hat sich nichts verändert, Du hast die Bürde ja auch bisher schon allein getragen.
Ich wünsche Dir viel Kraft für die nächsten Tage - und auch danach. Und dass Dein Wunsch nach einer kurzen Ruhepause in Erfüllung gehen möge.
Lucie
Liebe Maulwürfel,
jetzt hast du heute die Beerdigung hinter dir gebracht. Ich hoffe es war erträglich und du konntest auch einen Moment für dich eine Gefühle Ordnen.  Es ist schwierig. Mein Bruder hat auch auf den Tod von Verwandten immer mit Wut reagiert. Und irgendwie hat man in den Moment gar kein Platz mehr für seine Eigene Gefühle... Ich habe meinen Eltern vorgeworfen das ich mich nicht um mein Bruder kümmern will. ( Schließlich bin ich die jügner und sie seine Eltern) meine Eltern ließ das ziemlich kalt... Ich habe mich um ihn zu Kümmern, sonst verläugne ich die Familie, ich soll mich um ihn Kümmern weil ich mehr Freunde habe und mein Bruder so am dran ist. Ich soll mich um mein Bruder kümmern weil ich das eh machen muss wenn sie ( meine Eltern) sterben. Ich muss mich um mein Bruder kümmern weil ich sonst ne egoistische blöde Kuh wäre...und was man sich noch alles  anhören durfte wenn man sein Bruder mal nicht mit zu ner Freundin nehmen wollte...oder ihnen versucht hat zu erklären das es ihr Job ist nicht meiner ist ja schließlich ihr Sohn nicht meiner ....meine Eltern haben irgendwann zwar ausversehen aber immer häufiger zu mir gesagt kümmere dich doch mehr um dein sohn. Das hat mich immer mehr verzweifelt...klar ich muss es mir seit dem Kontaktabruch nicht mehr anhören. Aber die Worte wird man so schnell nicht vergessen und den Schmerzen die es seelisch hinterließ. Und vielleicht hättest du deine Eltern es damals gefragt hätten sie auch eine Ausrede gefunden...Meistens sind Eltern einfach überforderte mit dem Kind. Und Geschwister haben meistens doch weil sie von klein auf zusammen aufgewachsen sind ein tieferes Verständnis für die Schwester/den Bruder....blöd ist einfach nur das die gesunden Geschwister einfach in Falsche Rollen gezwängt werden und drunter leiden müssen egal wie Eltern es begründen...hast du schon mal darüber nach gedacht dir eine Auszeit mit einer Kur oder Klink zu nehmen. Einfach zeit für dich zu nehmen ohne deine Schwester?  Klar ist das dann kein Jahr wo mal alles gut ist .aber ein bisschen Kraft auf Tanken täte dir vielleicht gut. 

Dir alles gute weiterhin und denk dran was fur eine Kämpferin du und alle die so was durch machen sind.

Liebe Grüße Lari
Hallo Maulwürfel und liebe Kümmerer,

ich habe meine Mutter schon früh und immer wieder auf die Schräglage in der Aufmerksamkeit angesprochen, die sich in unserer Familie und unserer direkten Beziehung entwickelt hatte.
 
Als Jugendliche nannte ich es unfair, später konnte ich es differenzierter und respektvoller formulieren – letztendlich hat sich an der Antwort unserer Mutter - bis heute - nichts geändert: ihre Aufmerksamkeit und Fürsorge war und ist bei dem Kind, dass sie am meisten braucht – vielleicht, weil sie selbst dessen Gedeihen am meisten nötig hatte - und hat.
 
Vielleicht kann man allgemein annehmen, dass es für Eltern der größte Wunsch ist, dass ihre Kinder „das Leben meistern“ können.
Sie füttern, solange das Kleine den Schnabel aufsperrt … wenn das Füttern nicht reicht, die Kleinen nicht „funktionieren“, mag es sein, dass Eltern innerlich aufgeben. Das Gefühl „versagt“ zu haben, „nicht gut genug“ zu sein oder „Schuld“ zu haben, mag den Rückzug aus der Sorge um ein krankes Kind erklären.
Dann sind diejenigen dran, die dem Kind „gewachsen“ sind. Diejenigen, die das Leben in die Hand nehmen, die „es“ schaffen … die zeigen können, wie man aus gleichen Voraussetzungen ins Leben findet. Die Eltern sehen uns Kümmerer „auf gleicher Höhe“, wie unsere Geschwister. Sie vertrauen darauf, dass wir das hinbekommen – oder haben schlicht keine andere Möglichkeit.
Für die Not, in die uns das bringt, gibt es dabei einfach keinen Platz.
 
Unsere Mutter hat sich auf meine Bereitschaft zur liebevollen Zuwendung an meine Schwester immer verlassen. Für sie war und ist es noch immer selbstverständlich, dass ich diesen Staffelstab übernehme, wenn er ihr aus der Hand gefallen ist.
Sie hat meine Verantwortung für meine kleine Schwester schon genau so formuliert, als ich selbst erst sechs Jahre alt war. Im Laufe der Jahre wurden daraus Appelle an meine Vernunft, Schmeicheleien, offene Bitten um Entlastung, Schulterschluss, Zorn, Ablehnung, Vorwürfe und Verzweiflung.

Das alles bekommt sie auch noch hin, obwohl ihr Kurzzeitgedächtnis perdu ist  und sie selbst Hilfe annehmen muss.
 
Es ist nicht so, dass ich meine Schwester nicht liebe.
Ich mag nur das Korsett nicht, in das mich ihre Dramen zwängen.

Alles Liebe,
Steffi