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Schwester89 stellt sich vor - Druckversion

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Schwester89 stellt sich vor - Schwester89 - 25.11.2021

Hallo liebe Geschwister

Zuerst einmal möchte ich sagen, dass ich unheimlich froh bin, dieses Netzwerk gefunden zu haben und zu sehen, dass es anderen Geschwistern auch so geht.

Ich möchte euch die Situation mit meinem hochsensiblen Bruder schildern und wäre so dankbar um einen Kommentar oder Tipp von eurer Seite. Wir haben ein sehr enges und gutes Verhältnis, helfen einander, haben uns lieb und ich bin seine Bezugsperson Nr 1. 

Mein Bruder ist 3 Jahre jünger als ich (heute 29 J.) und war seit ich denken kann das "Sorgenkind" unserer Familie. Alles was mir sehr leicht fiel, war für ihn schwierig und er hatte schon früh in der Schule Probleme, weshalb meine Eltern immer wieder von den Lehrern eingeladen wurde, er war immer sehr höflich und hilfsbereit aber hatte Mühe mit der Konzentration und hat andere abgelenkt, er musste schon als Kind verschiedene Abklärungen machen und in eine Ergotherapie. Ich war quasi ein Selbstläufer und habe erfolgreich die Schule und Lehre absolviert und einen guten Platz im Berufsleben gefunden, ich hatte immer viele soziale Kontakte und alles ging ring für mich, meine Eltern mussten sich nie gross um mich kümmern. 
Bei ihm war es leider das Gegenteil, besonders schlimm wurde es, als er die Lehre als Logistiker angefangen hat, da hat er angefangen zu kiffen da er mit dem Druck bei der Arbeit nicht klarkam, ich würde sagen, dass er da bereits hochsensibel war. Immer wieder hat er gefehlt bei der Arbeit oder in der Schule, wir haben ihn täglich ermutigt, haben ihm beim lernen geholfen und ihn unterstützt wo es ging, mein Vater hat ihn fast jeden Tag 40 Minuten zur Arbeit gefahren um ihm den Weg etwas zu erleichtern. Wir haben ihm auch einen Abbruch der Lehre vorgeschlagen, da es ihm so schlecht ging, aber er wollte es "durchziehen". Die letzten 2 Monate vor Lehrabschluss ging es ihm dann gar nicht gut, er hatte Mühe mit seinem sehr bösen und strengen Lehrmeister und musste jeden morgen vor der Arbeit erbrechen und hatte Panikattacken. Er liess sich dann die letzten zwei Monate krankschreiben und hat die Abschlussprüfungen knapp nicht bestanden. Wir haben als Familie Rekurs eingelegt und sind durchgekommen, sodass er dann seinen Abschluss hatte. Von da an wurde es schwieriger, er wollte nicht mehr arbeiten, da er so schlechte Erfahrungen mit der Arbeitswelt gemacht hat. Wir haben ihn ermutigt und immer wieder hat er neue Jobs angefangen und dann wieder hingeschmissen. Der Cannabis Konsum wurde mehr und mehr sodass er dann täglich gekifft hat, was er bis heute macht. Er hat verschiedene Coachings ausprobiert aber in eine Psychotherapie wollte er nie. Als er sich dann auch noch mit seinem Freundeskreis verstritten hat (seine Freundin hatte etwas mit seinem Freund), hatte er auch keine sozialen Kontakte mehr. Ich habe mich sehr um sein Wohl gesorgt und hatte Angst um ihn, habe dann meinen Job gekündet und ging mit ihm 4 Monate reisen, damit er positive Erlebnisse und Erfahrungen sammeln konnte und von all dem Negativen und dem Druck zu Hause einmal wegkam. Während dem Reisen ging es ihm richtig gut, er hat nicht gekifft in dieser Zeit und wurde sehr positiv. Als wir zurück kamen haben wir ihm einen Job gesucht (ich habe ihm immer bei den Bewerbungen geholfen und ihn für die Interviews gecoacht) und auch gleich einen tollen Logistik-Job mit angenehmeren Arbeitszeiten gefunden. Diesen hat er 2 Jahre durchgezogen, mal war es mühsam und mal war es ok aber generell hatte er zum ersten Mal etwas mehr Stabilität im Berufsleben, seine Kollegen mochten ihn und die Chefs waren super happy mit ihm und lobten ihn viel. Anfang dieses Jahres 2021 ging es ihm dann wieder schlechter, er wollte nicht mehr arbeiten, konnte nicht mehr und hatte wieder die selben morgendlichen Probleme (Erbrechen, Panikattacken, Angstzustände). Sodass er sich krankschreiben liess und kurz darauf per Ende Mai gekündet hat. Sein Cannabis Konsum ist wieder gestiegen, nun wohnt er alleine (direkt neben mir), ist nach wie vor krankgeschrieben und zieht sich bis auf den Kontakt zu mir und unseren Eltern komplett zurück. Andere Drogen oder Alkohol hat er zum Glück nie konsumiert, aber das Cannabis hat eine Angststörung gefördert denke ich. Er möchte auch nicht damit aufhören, er sagt, das gehöre halt zu ihm und er konnte auch so arbeiten (hat einfach erst nach der Arbeit gekifft). Ich habe einen sehr stressigen Job und bin sehr ausgelastet und habe oft das Gefühl, dass ich ihn "alleine" lasse. Aber ich kann ihn ja auch nicht rund um die Uhr betreuen. Er ist sehr gerne alleine, das macht ihm nichts aber ich habe das Gefühl, dass wenn er alleine ist, mehr negative als positive Gedanken wachsen. 
Positiv ist, dass er sich von mir überzeugen liess, in eine Psychotherapie zu gehen, was er nun seit Frühling diesen Jahres macht. Nun steht eine Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt bevor, wo er weiterhin von der Versicherung bezahlt wird und ohne Druck für 3 Monate ein Arbeitstraining absolvieren kann. Nächste Woche haben wir das Gespräch (ich darf ihn sogar begleiten) mit dem Arbeitgeber und bereits jetzt schläft er nicht und hat Angst- und Panikzustände, ich habe das Gefühl, das ist viel stärker geworden. Ich bin absolut hilflos, meine Unterstützung und alles was ich sage oder tue scheinen nicht zu helfen. Er tut mir unendlich leid, denn er möchte eigentlich wieder arbeiten und Teil der Gesellschaft sein, aber sobald es "ernst" wird kommen seine Panikzustände und Zweifel und er kann nicht mehr klar denken. Für mich von aussen betrachtet unbegründet (das sage ich ihm natürlich nicht), aber für ihn der blanke Horror. Ich danke euch, dass ihr meine Zeilen gelesen habt und bin gespannt auf euer Feedback.
Alles Liebe, Schwester89


RE: Schwester89 stellt sich vor - werwoiss - 21.12.2021

Liebe Schwester89, 
bitte entschuldige die späte Rückmeldung.
Vielen herzlichen Dank für deine Geschichte. 
Du bist eine liebende Schwester und du würdest alles für deinen Bruder geben und du hast es schon getan. 
Pass auf dass du auch genug auf dich selbst und deine Gefühle und dein Wohlergehen achtest. 
Es gehört sehr viel dazu treusorgende Schwester zu sein und selbst auch auf sich selbst zu achten.
Habe gerade auf die Vorstellung von Goldfisch geantwortet.  Dort hab ich geschrieben was mir geholfen hat.
Hatte 19 Jahre danach gesucht und war froh so tolle Unterstützung für mich und vor allem andere Geschwister mit ihren Geschichten zu finden. Die Selbsthilfegruppe hat mir persönlich am meisten gebracht. Da ist aber jeder Mensch anders.

Ich wünsche dir von Herzen, dass du schnell einen für dich guten Weg findest und weiter deinen Bruder unterstützt so gut du kannst. Lass dich nicht unterkriegen und pass auf dich auf.  

VG 
werwoiss