elly_be stellt sich vor
#1
Hallo, ich bin 17 Jahre alt, also vermutlich eine der Jüngsten hier, aber ich wollte einfach mal meine Situation schildern und vielleicht könnt ihr mir mit euren Erfahrungen auch Tipps geben. 
Ich wohne noch zuhause mit meinen Eltern und mittlerweile auch wieder mit meiner 25-jährigen Schwester. Sie ist vor 8 Monaten wieder bei uns eingezogen nach sechsmonatigem Job, wovor sie auch schon 7 Monate wieder bei uns gewohnt hatte (obwohl sie eigentlich mit 18 ausgezogen ist). Sie ist mit keiner Krankheit diagnostiziert, aber das liegt wohl daran, dass sie sich weigert jegliche Hilfe anzunehmen, also auch keinen Arzt besuchen will. Für meine Eltern und mich ist klar, dass sie ein psychisches Problem hat. Sie hat keine sozialen Kontakt, abgesehen von der engsten Familie, verlässt so gut wie nie das Haus und macht praktisch nichts. Obwohl sie ein abgeschlossenes Bachelor-Studium hat, also gute Chancen hätte, sucht sie sich keinen Job und arbeitet an nichts. Sie braucht ewig um die kleinsten Entscheidungen zu treffen, manchmal steht sie dann einfach einige Minuten irgendwo, bevor sie weitergeht. Dazu kommt, dass sie ein extremes "Hygiene" - Bedürfnis hat, also sie wäscht sich oft und lange die Hände (teilweise sind die so rau, dass sie bluten), verbringt Ewigkeiten im Bad und mag es auch nicht andere Leute im Haus zu haben. Das ging teilweise so weit, dass sie es mir verboten hat Freunde etc. einzuladen. Meine Eltern haben ihr schon oft gesagt, dass sie Hilfe braucht, aber sie meint sie bekommt das alles alleine hin. Ich habe das Gefühl, dass sie mehr oder weniger in ihrer eigenen Welt lebt und den Bezug zu Realität verloren hat. 
Ich weiß einfach nicht wie ich mit ihr umgehen soll und fühle mich total hilflos. Ich habe auch Angst, dass es noch schlimmer oder nie wieder besser wird. Es belastet mich total, am liebsten würde ich ausziehen, weil ich mich mit ihr zuhause sehr unwohl fühle, gleichzeitig fühle ich mich aber auch verantwortlich. 
Das war so ein kurzer Einblick...würde mich über jede Antwort freuen, weil ich einfach nicht mehr weiter weiß.
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#2
Liebe elly_be,

ich weiß nicht, ob es mir gelingt, Dir so zu antworten und ob das in der Vorstellungsrunde überhaupt möglich ist. 

Mir tut es wahnsinnig leid, was Du durchmachst und ich möchte Dir ganz dringend empfehlen, Dir (professionelle) Hilfe zu suchen. Du bist für Deine Schwester nicht verantwortlich. Du hast vermutlich keinerlei Einfluss darauf, was sie tut. Dann kannst Du ihr gegenüber keine Verantwortung haben. Ich möchte Dir dringend raten, nach Wegen zu suchen, um Dich zu distanzieren. Auch ein Umzug ist dafür eine Möglichkeit. 

Du bist sicherlich eine der jüngsten hier, aber auch aus den Beiträgen der älteren kannst Du ja immer wieder lesen, wie hilflos wir uns fühlen, wie sehr wir damit ringen, dass wir uns immer Sorgen um unsere Geschwister machen und ihnen doch nicht helfen können. Wenn es Dir irgendwie gelingt, frühzeitig Strategien zu entwickeln, um mit der Situation umzugehen, kannst Du Dir viel ersparen. 

Ich habe mich lange Zeit aufgerieben, um meine Schwester irgendwie zu unterstützen. Ich habe immer gedacht, wenn ich mich ein bisschen mehr anstrenge, dies oder das noch erledige und mich um irgendwelche akuten Probleme kümmere, dann läuft ihr Leben irgendwann in geregelten Bahnen. Ich bin damit auf ganzer Linie gescheitert.  Zwischenzeitlich war sie in einem Heim für obdachlose Frauen gelandet und aktuell denkt sie, ich würde systematisch versuchen, unsere demente Mutter zu ermorden. Ich kann also mit Fug und Recht sagen, dass all meine Bemühungen nicht von echtem Erfolg gekrönt waren. 

Ich selbst kann für meine Schwester praktisch nichts tun. Ich kann nur auf mich selbst aufpassen. Heute weiss ich, dass alle Versuche, Ihren Absturz aufzuhalten, automatisch zum Scheitern verurteilt sind. Ganz egal, wie viel Kraft ich investiere. Vielleicht kann ich die komplette Katastrophe ein bisschen herauszögern, verhindern kann ich sie nicht. Und nur wenn es zur Katastrophe kommt, kriegt meine Schwester evtl. die Hilfe, die sie tatsächlich braucht. Wird also medizinisch behandelt.

Ich habe etwa 25 Jahre gebraucht, um das zu akzeptieren und leicht ist es noch immer nicht. Auch weil sich in den ganzen Jahren Verhaltensweisen eingespielt haben, die für keine von uns beiden gut sind. Wenn ich heute nochmal am Anfang stünde, würde ich es anders machen. Ich würde besser auf mich aufpassen. Ich würde klarere Grenzen ziehen. Ich würde eine Therapie machen, um zu lernen, "nein" zu sagen und um zu lernen, damit umzugehen. 

ich wünsche Dir von Herzen, dass Du Unterstützung findest und dass sich auch Deine Eltern Unterstützung suchen. 

Pass gut auf Dich auf!

Nick
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#3
ich habe fast dieselbe Erfahrung gemacht wie Nick. Auf sich selbst aufpassen ist absolut am wichtigsten. Ich wünsche dir, dass sich bei dir und deiner Schwester alles zum Guten wenden wird. Professionelle Hilfe ist der erste Schritt, immer mit dem wichtigsten Ziel: achte auf dich selbst. Andere unterstützen ist gut und sehr wertvoll, aber nicht auf Kosten der eigenen Gesundheit. Nur wenn du selbst gesund und stark bist, wirst du auch etwas an deine Familie weitergeben können. Das ist alles einfacher geschrieben als getan (aus eigener Erfahrung), aber aus meiner Sicht ist es der einzige Weg.
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