mar.tar stellt sich vor
#1
Hallo liebe Geschwister,

ich bin gerade so unheimlich froh, dass ich auf diesen Forum gestoßen bin und kann es nicht erwarten in den Beiträgen herumzustöbern.

Also zu mir. Ich bin 32 und die ältere Schwester einer Borderlinerin (29 J.). Meine Familie hat viel durch, viele Schicksalsschläge, vor allem der T*d unserer Mutter vor 12 Jahren. Seitdem ging es auch mit der psychischen Gesundheit meiner Schwester bergab - viele, viele schmerzhafte Sachen sind vorgefallen, viele Anschuldigungen. Ich habe zwischendrin immer wieder für Monate den Kontakt abgebrochen, das letzte Mal vor 3 Jahren für ca. 6 Monate. Seither erfahre ich über unseren Vater immer nur das Nötigste, was für mich trotzdem jedes Mal sehr schwierig ist. Der bilaterale Kontakt mit ihr ist auf ein Minimum reduziert.

Ich habe, bevor ich auf diese Vorstellungsrunde gestoßen bin, den Wiillkommens-Post gelesen und habe das Gefühl gehabt, zum 1. Mal spricht jemand aus, wie es mir geht. Denn genau so fühle ich mich. Ich versuche meinen Vater nicht mit meinen Problemen zu belasten, denn er hat genug mit denen meiner Schwester zu tun, wir reden kaum über sie, weil es eigentlich jedes Mal "etwas Neues" gibt, was sie gemacht hat. Es ist für ihn belastend darüber zu reden. Das verstehe ich. Möchte ich mit ihm darüber reden, wie es mir geht, wird es abgetan oder mit dem Kommentar "Meinst du mir geht es besser?" versehen. Das verstehe ich. Er ist näher dran, er ist Kontaktperson 1. Er will nicht immer darüber reden. Aber mit wem soll ich reden? Mein Mann versteht mich, ist da aber knallhart und würde am liebsten, dass ich den Kontakt dauerhaft abbreche. Aber es ist nun einmal meine Schwester... wie soll ich das machen und was würde das mit meinem Vater machen?

Ich kam die letzten knapp 2 Jahre recht gut damit klar. Jetzt gerade jedoch ist es zu viel. Ich habe vor 1 1/2 Monaten geheiratet. Meine Schwester war erst da, konnte aber aufgrund ihrer emotionalen Überforderung weder mit in die Kirche noch hinterher zur Feier. Seitdem kam nichts von ihr. Keine Entschuldigung, keine Erklärung, kein einfaches "Tut mir Leid, dass ich nicht da war". Über die Diskussion des Weihnachtsgeschenks für den Vater ist es heute eskaliert. Ich habe ihr meine Sicht der Dinge geschildert, ihr gesagt, dass und wie sehr mich das verletzt. Habe ich Einsicht erwartet? Ja, vielleicht, aber die kam nicht. Stattdessen ein manipulatives Umdrehen und Verdrehen, was soweit geht, dass sie jetzt "wegen meiner nicht absehbaren Launen" nicht am Weihnachtsfest teilnehmen will und mir unterstellt, dass ich ihr den T*d wünsche. Sie holt Sachen heraus, die z.T. mehr als 15 Jahre zurückliegen, wirft es mir vor, nimmt dies als Entschuldigung für ihr Verhalten ("Was meinst du denn, wie ich mich damals bei xyz gefühlt habe? Glaubst du mir ging es anders?")... Sie macht die "Du bist die Lieblingstochter"-Anschuldigung auf, wirft mir vor, dass ich einen sicheren Job habe und sie in den Seilen hängt... Immer und immer wieder. Sie stellt sich als Opfer hin und glaubt ich sei die Täterin.

Ich bin wieder am gleichen Punkt, an dem ich von vor 3 Jahren war. Ich erhoffe mir, dass ich hier in Beiträgen und Diskussionen Gleichgesinnte finde, meinen Schmerz/Wut/Trauer/Hilflosigkeit teilen kann.

Herzlichst,
mar.tar
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#2
Liebe mar.tar,

schön, dass du den Weg ins Forum gefunden hast. Es gibt tatsächlich einige Geschichten, die dir helfen werden, da bin ich sicher.


Als ich selbst vor ca 2 Jahren den Weg hierher fand war ich ähnlich froh wie du endlich Menschen mit einem ähnlichen Schicksal gefunden zu haben.
Damals war mir eine gewisse Anonymität wichtig. In diesem Forum kann jeder mitlesen, daher bin ich hier auch anonym geblieben. Hoffe und glaube, dass es viele Geschwister gibt, die auf dieses relativ in die Jahre gekommene Forum stoßen, sich aber inhaltlich viel nützliches für sich und ihre eigene Situation mitnehmen können, ohne dass sie auch nur selbst einen eigenen Beitrag schreiben (müssen). Von daher freue ich mich immer, wenn jemand auch seine Geschichte hier teilt und sich vielleicht eine andere Schwester oder ein anderer Bruder daraus etwas positives und hilfreiches für sein eigenes Leben mitnehmen kann.

Nach ein paar weiteren Monaten stieß ich auf die Mutmachleute (www.mutmachleute.de). Hier fasste ich dann den Entschluss Gesicht zu zeigen und bei den "Angehörigen" meine Geschichte zu erzählen.

Noch ein wenig später fand ich den Bundes- und die Landesverbände der Angehörigen psychisch kranker Menschen und stieß dort auf die Möglichkeit eine Selbsthilfegruppe zu besuchen, damals online wegen der Pandemie. Früher war ich hinsichtlich Selbsthilfegruppen sehr skeptisch. Heute kann ich sagen, dass diese für mich die bisher absolut beste Möglichkeit sind um mit all dem Schmerz, der Trauer, der Erwartung, der Hoffnung, der Wut, der Hilflosigkeit und der Enttäuschungen irgendwie umzugehen. Aus welcher Gegend kommst du? Es gibt vor allem im ländlichen Raum nicht allzu viele Gruppen, die sich persönlich treffen, aber zum Beispiel gibt es in Bayern seit Corona eine bayernweite Online-Selbsthilfegruppe, die aber teilweise auch über die Landesgrenzen (z. B. Hessen, Rheinland-Pfalz) hinausgeht, weil es hier nicht ganz so viele gut organisierte Angebote gibt. Wenn du daran vielleicht Interesse hast, gib gerne Bescheid.

Es gibt auch ein echt spannendes Buch, welches dir bestimmt auch weiterhelfen wird: "übersehene Geschwister" von Jana Hauschild.

Ich wünsche dir, dass du für dich, für deine Situation, für deine Familie einen guten Weg finden wirst. Stell dich immer selbst in den Mittelpunkt und versuch den anderen zu helfen so gut es geht. Aber schaue zuallererst auf dich und dein Wohlbefinden. Ratschläge sind ja immer so eine Sache, ich weiß... Das ist aber kein Ratschlag, sondern aus meiner Sicht eine Tatsache. Achte auf dich und dein Glück, deine Familie und hilf deiner Schwester wann immer du kannst, aber fühl dich nicht gezwungen. Man kann aus deinen Zeilen sehr gut lesen, dass du nur das Beste für deine Familie erreichen möchtest und das ist die beste Basis die es gibt. Lass dich von Wut und Rückschlägen nicht aus der Bahn werfen. Es kommt wie es kommt. Wenn du Acht dich selbst gibst, dann hast du schon ganz viel geschafft.

Viele Grüße,
werwoiss
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#3
Hallo werwoiss,

vielen Dank für Deine liebe Antwort.

Ich komme aus Niedersachsen. Nach einer Selbsthilfegruppe habe ich schon geschaut, die nächste wäre in Hamburg, aber das ist leider nicht zu machen. Ich war hier bei mir zu Hause schon ein paar Mal bei einer Angehörigengruppe, aber natürlich waren da eigentlich nur Eltern.

Das Buch habe ich mir gekauft und bin gerade am Lesen. Ich bin unendlich froh zu wissen, dass ich nicht alleine bin und ich erkenne mich in so vielen Dingen wieder. Schon sehr spannend, wie man denkt, man sei in seinem Verhalten und der Beziehung zum Geschwisterkind allein und dann sieht man, dass es so vielen anderen auch so geht.

Mit meinem Vater war ich am Montag Kaffee trinken und da haben wir kurz über meine Schwester gesprochen. Sie wurde kurzzeitig eingewiesen, jedoch nicht da behalten, was ich persönlich sehr bedauere. Mit ihr habe ich jetzt einen Mediationstermin ausgemacht und ich bin gespannt, wie das wird. Ob sie überhaupt kommt, ob sie nüchtern sein wird... Davon mache ich auch abhängig, wie ich Weihnachten feiern werde. Sollte es okay laufen und wir könnten uns auf Umgangsregeln miteinander einigen, dann würde ich es dieses Weihnachten noch einmal mit der Familie probieren, ansonsten muss mein Vater sich leider aufteilen. Ich konnte ihm das aber erklären und er versteht es auch, worüber ich schon mal froh bin. Trotzdem tut es weh.

Herzlichst,
mar.tar
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#4
Liebe mar.tar,

Selbsthilfegruppe Bayern ApK würde dich sicher aufnehmen, wenn du das möchtest.

Ist immer jeden 3. Montag im Monat von 19 bis 21h. Überlege es dir einfach mal und gib bescheid, wenn du möchtest.  Alles total freiwillig und ohne irgendwelche Verpflichtungen. 

Viele Grüße 
werwoiss
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