03.05.2019, 15:24
Zitat:Aus einer Mail:
Danke dafür, dass Sie als Eltern darüber nicht gekränkt sind, wenn sich kleine Angehörigennetzwerke wie das GeschwisterNetzwerk bilden, an denen die traditionelle Elternfamilienselbsthilfe nicht unmittelbar beteiligt ist.
Dass Eltern nicht betroffene Kinder automatisch einbeziehen, kann durchaus so sein, stellt zumindest nicht die einzige Ursache der "Vernachlässigung" dar. Aus meiner Sicht sind Eltern schlicht überfordert, weil das kranke Kind besonders während der ersten Krise in dem von uns miterlebten Fall durch wiederholte lebensbedrohliche Situationen des Betroffenen und krisenbedingte Aggressionen so viel Aufmerksamkeit und Energie auf sich zog, so dass die Eltern mental und körperlich überfordert und absorbiert waren. Außerdem würde ich berücksichtigen, dass ein psychotisch verwirrter Angehöriger mit aggressivem Verhalten durchaus in der Lage ist, die Eltern aus ihrer vorher vorhandenen Lebens-Orientierung zu Lasten weiterer Kinder und der erweiterten Familie herauswerfen. Geschwister leiden auch massiv unter dem Durcheinander. Eltern widmen sich dem Kranken, um dessen gröbste Not zu lindern. Die "Vernachlässigung" der anderen Kinder tritt unvermeidbar ein, das aber aus weder Absicht noch in Inkaufnahme einer Schädigung der anderen Kinder, eher mit schlechtem Gewissen unter Kenntnisnahme der eigenen Unzulänglichkeit.
Es ist bekannt, dass Eltern während akuter Krisen ihrer Kinder unter Stress leiden, der das Maß von gestressten Abi-Kandidaten ähnelt (Vortrag Prof. Michael Franz, Vitos Gießen/Marburg, Sept. 2018). Diese Phase dauert in den Familien aber mitunter viele Monate oder Jahre und wirkt entkräftend und deprimierend.
Es gäbe noch viele weitere Aspekte zu beschreiben, dafür bietet das Statement nicht genügend Raum. Gleichwohl wäre es eine interessante Thematik für einen umfassend formulierten Aufsatz, um das komplexe Verhältnis zwischen den Betroffenen und den Angehörigen differenziert zu beschreiben.
Ich ergänze, dass ich mich als Elternteil durch den beschreibenden Bericht weder beleidigt, noch angegriffen fühle.
Manfred