Micki stellt sich vor
#3
Hallo Reinhard,

vielen Dank für deine Worte.

Ich kann mir vorstellen, welche Vorwürfe du dir gemacht hast. Und das mit den Medikamenten kenne ich natürlich auch genau so, wie du es beschreibst. Das war bei uns nicht anders. Eine Ärztin meines Bruders sagte vor vielen Jahren mal zu mir, dass es durchaus passieren kann, dass er einmal Suizid begeht. 1996 hat er es versucht und fast geschafft. Ich muss dazu sagen, dass mein Bruder in den letzten Jahren kaum noch klare Momente hatte. Er war fast durchgehend psychotisch.

Am 20.10. erhielt ich morgens um kurz vor 7 den Anruf, dass mein Bruder etwa 36 Stunden zuvor verstorben war und bereits obduziert wurde. Ich kann nicht sagen, was in dem Moment in mir genau vorgegangen ist. Ungläubigkeit......Alptraum.....usw. usw.

Ich habe ab da erstmal nur funktioniert. Ich wollte verhindern, dass er in der Stadt, in der er sich gerade befand (rechtsmedizinisches Institut) anonym beerdigt wird. Mein Bruder erhielt Grundsicherung vom Sozialamt, da er ja nicht erwerbsfähig war. Zu meinen Eltern hatte ich keinen Kontakt und ich wusste, wenn ich es nicht mache....dann wird das Ordnungsamt es erledigen. Warum ich das wusste? Es war immer schon so....ich war immer die, die sich kümmern muss. Egal um was. Bis zum Tod meiner Oma 2005 zusammen mit dieser. 

Mittags um 12 Uhr war mein Bruder wieder in unserer Geburtsstadt, in der er bis zum Schluss wohnte. Auf meinen Wunsch wurde er auch im Grab unserer Großeltern beigesetzt, da wir immer ein extrem inniges Verhältnis zu diesen hatten. Meine Oma hat sich immer aufopferungsvoll um meinen Bruder gekümmert. 

Ich habe mich auch durchgesetzt und alle Betroffenen der Einrichtung, in der mein Bruder auch betreut wurde, zur Beerdigung eingeladen. Weil ich gesagt habe, mir ist es egal, welche Störungen andere haben. Sie haben in dem Leben meines Bruders eine Rolle gespielt. Und dann möchte ich sie auch dabei haben. 

Die Trauer kam viel später. Zwischendurch die Wut....und ich glaube manchmal, mein Bruder wollte, dass ich wütend werde. Denn er wusste, meine Wut habe ich immer unter Kontrolle. Aber dann funktioniere ich auch. 

Jetzt ist mein Bruder seit 9 Wochen beerdigt und es gibt immer noch Dinge zu klären. Durch meine berufliche Tätigkeit im juristischen Bereich bin ich mit einem Anwalt an der Sache dran. Kosten entstehen mir hier nicht. 

Oft denke ich, jetzt geht es ihm besser....und dann denkt man wieder, warum musste er so leiden? Warum musste er das erdulden vorher. Ich kann ja nicht mehr tun, als im Namen meines Bruders für Gerechtigkeit zu kämpfen. Wiederbringen wird es ihn natürlich nicht.

Mein Chef sagt immer, ich kann nicht mehr tun, als ich immer getan habe und jetzt noch tue.....dennoch hat man oft das Gefühl, es ist zu wenig. Man hätte noch mehr tun können. Auch wenn das natürlich nicht richtig ist. :-)

LG
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Micki stellt sich vor - von Micki - 15.01.2018, 12:12
RE: Micki stellt sich vor - von Reinhard - 17.01.2018, 12:37
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RE: Micki stellt sich vor - von pauljason330 - 04.12.2023, 09:37

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