1. Besuch in der forensischen Klinik - was erwartet mich? - Druckversion +- Forum.GeschwisterNetzwerk.de (https://forum.geschwisternetzwerk.de) +-- Forum: Öffentliche Foren (https://forum.geschwisternetzwerk.de/forumdisplay.php?fid=3) +--- Forum: Persönliche Beiträge, Kommentare, Anmerkungen (https://forum.geschwisternetzwerk.de/forumdisplay.php?fid=19) +--- Thema: 1. Besuch in der forensischen Klinik - was erwartet mich? (/showthread.php?tid=66) |
1. Besuch in der forensischen Klinik - was erwartet mich? - Nina - 19.11.2018 Hallo ihr Lieben, am 14.12.18 ist es nun soweit, ich werde meinen Bruder (33) nach über 6 Jahren endlich wiedersehen. Es wird ein Gespräch stattfinden mit: seinem Psychologen, seinem Betreuer, unserem Pa und meinem Bruder natürlich. Mein Bruder wollte lange nicht, dass ich an solch einem Gespräch teilnehmen muss, da der Psychologe bereits angedroht hat, „mich auszufragen“. Mein Pa und mein Bruder beschreiben ihn als eine Person „die einem gerne die Worte im Mund umdrehen“. Nun frage ich mich, was mich bei so einem Gespräch erwartet. Zudem sagte der Psychologe, dass ich mir Fragen überlegen soll. Was für Fragen? Ich kläre alles mit meinem Bruder selbst. Wenn er von seinen Therapien erzählen möchte, freue ich mich, wenn nicht, dann respektiere ich das. Habt ihr Erfahrungen, was bei einem Erstgespräch gefragt wird? Ich danke euch [Bild: https://forum.geschwisternetzwerk.de/images/smilies/heart.png] RE: 1. Besuch in der forensischen Klinik - was erwartet mich? - Lucie - 20.11.2018 Liebe Nina, lass mich dir zwei Dinge antworten: Zum einen ist es durchaus positiv, dass der Therapeut deines Bruders mit euch ein gemeinsames Gespräch führen will. Es gibt viele Angehörige, die sich ein solches Gespräch wünschen, aber nicht ausreichend Gelegenheit dazu bekommen. Wenn dein Bruder und euer Pa das Gefühl haben, ausgefragt zu werden, ist das natürlich nicht ganz glücklich, aber dennoch, grundsätzlich ist ein solches Gesprächsangebot erst mal gut. Die andere Seite ist aber, dass du deinen Bruder nach Jahren erstmals wieder siehst und ich lese aus deinen Zeilen, dass du dich darauf freust. Und dein Bruder versucht, dich zu beschützen, das hast du in diesem und auch in deinem letzten Post geschrieben. Für mich scheint es so, dass ihr beide eine gute und tiefe Beziehung zueinander habt. Und das sollte bei deinem Besuch das Wichtigste sein. Ich finde, das kannst du dem Psychologen auch genau so sagen, so ruhig und sachlich wie möglich. Du siehst deinen Bruder nach langer Zeit wieder, das wird sicher sehr emotional sein und in einer ziemlich "unnatürlichen" Umgebung stattfinden. Wenn du keine Fragen hast - dann sage es dem Psychologen. Es mag ja auch sein, dass das anders aussieht, wenn du deinen Bruder jetzt häufiger besuchen kannst und vielleicht in ein paar Monaten wieder ein solches Gespräch stattfindet. Und wenn du dich "ausgefragt" fühlst - du musst gar nichts sagen. Du darfst es, wenn du es richtig findest. Ich möchte dich ermutigen, folge deinem Gefühl. Wenn es dir richtig erscheint, sag dem Psychologen, dass du die ganzen neuen Eindrücke und die damit verbundenen Emotionen erst mal für dich "sortieren" musst, und Fragen, die du jetzt als unangenehm empfindest, vielleicht später beantworten wirst. Ich kann verstehen, dass du dich klein und unsicher und ausgeliefert fühlst, aber du solltest keine Angst vor dem Gespräch haben. Viel wichtiger ist es doch, dass du deinen Bruder siehst, mit ihm sprechen kannst - und du bist ja auch nicht allein, euer Pa ist ja mit dabei. Ich wünsche dir alles, alles Gute für den Besuch und vielleicht schreibst du ja mal, wie es gelaufen ist. Lucie RE: 1. Besuch in der forensischen Klinik - was erwartet mich? - Nina - 05.01.2019 Hallo zusammen, der Termin in der Klinik hat stattgefunden [Bild: https://forum.geschwisternetzwerk.de/images/smilies/heart.png] ich durfte meinen kleinen Bruder nach über 6 Jahren endlich wieder sehen und umarmen [Bild: https://forum.geschwisternetzwerk.de/images/smilies/smile.png] Hier noch eine kleiner Ausschnitt über den Ablauf des Termins: Mein Pa und ich fuhren zusammen auf das Klinikgelände. Vorbei an all den großen, teilweise Backsteingebäuden. Manche Fenster waren vergittert, Gebäude teilweise von Zäunen umgeben und mit Kameras bestückt. Darunter wohl der erste Aufenthaltsort meines Bruders. Vor dem entsprechenden Gebäude der Station M30, auf der mein Bruder lebt, warteten bereits zwei Pfleger. Beide begrüßten uns. Für meinen Pa waren es bekannte Gesichter. Ich wurde nach meinem Personalausweis gefragt, damit eine Kopie erstellt werden kann. Der männliche Pfleger half uns, die Mitbringsel für meinen Bruder ins Haus zu tragen und begutachtete diese sorgfältig. Alles wurde aktzeptiert. Mein Pa wurde in den 1. Stock gebracht und mich erwartete im Erdgeschoss ein Einzelgespräch mit dem behandelnden, leitenden Psychologen meines Bruders. Ich wartete in einem kleinen Raum, der für "Zweisamkeiten" der Bewohner genutzt wird. Der Psychologe kam, ich stellte mich vor und er tat es mir gleich. Da auch ich bereits meine Erfahrungen mit dieser Fachgruppe gemacht habe, verwunderte mich seine Sprechweise nicht. Auch das Äußere habe ich genau so erwartet, wenn es auch klischeemäßig klingt. Anschließend bekam ich ein Blatt Papier mit den "Regeln für Angehörige". Besuchszeiten, Mitbringesel, Umgang mit dem Tischkicker auf der Station, Smartphone usw. Damit war das Einzelgespräch auch schon erledigt. Wir gingen zusammen nach oben und ich konnte endlich meinen Bruder in die Arme schließen. Er drückte mich so fest, dass ich kaum atmen konnte. Wenn man die Örtlichkeiten außen vor lässt, war es wie früher. Die bekannte Vertrautheit. Im Besucherraum wartete bereits mein Pa. Getränke standen auf dem Tisch und mein Bruder war bemüht Gläser zu organisieren. Er war wirklich sehr umsichtig, dass wir alles haben, war wir brauchen. Wenige Minuten später kamen der Psychologe und der Sozialarbeiter meines Bruders, um gemeinsam die weiteren Schritte in Richtung Zukunft ausserhalb der Klinik zu besprechen. Nur der Sozialarbeiter redete, wiederholte sich sehr oft. Der Psychologe saß stumm auf seinem Stuhl, die Hände gefaltet. Man konnte deutlich sehen und spüren, wer hier das eigentliche Sagen hat. Informativ war es für uns natürlich dennoch. Leider quasselte der Sozialarbeiter so lange, dass wir im Anschluss kaum noch etwas Zeit zu dritt hatten. Wir verabschiedeten uns ausgibig [Bild: https://forum.geschwisternetzwerk.de/images/smilies/smile.png] Ich war danach total geflasht von den ganzen Eindrücken und lag die halbe Nacht wach, um alles zu realisieren, was da passiert ist. Am Ende freut es mich zu sehen, was mein Bruder alles geschafft hat, wie klar sein Verstand ist. Er lebt wieder im hier und jetzt - mehr als je zuvor. |