12.11.2018, 12:54
Liebe Diana,
danke für die tröstenden Worte und dass Du das Leben auf der Straße aus einer anderen Perspektive geschildert hast.
Von meinem Bruder weiß ich nur, dass er Anfangs bei all den vorhandenen Anlaufstellen war, um sie dann nach den ersten Besuchen für sich als mögliche Anlaufstellen kategorisch auszuschliessen, aus Gründen, ich sage mal, der psychotischen Verarbeitung der Realität. Ich weiß weiter, dass er sich von anderen Obdachlosen fern hält, warum auch immer, vielleicht ist ihm selbst die Gemeinschaft auf der Straße mit zu viel Nähe verbunden. Und ich mache mir Sorgen, dass er krankheitsbedingt kein "gesundes" Kälteempfinden hat (im Winter mit Sandalen und so), und er einfach irgendeinen Winter nicht mehr überlebt. Dazu kommt, dass er zeitweise psychotisch ist, d.h. aggressiv ist und herumschreit, was im besten Fall zu Polizeieinsätzen führt, die ihn für eine Nacht in die Psychiatrie bringen, im schlechteren Fall aber durchaus ja zu gewalttätigen Konflikten führen kann - auch, oder gerade auf der Strasse.
Andererseits - er lebt mittlerweile einige Jahre auf der Strasse und das bedeutet ja, dass er irgendwelche Wege gefunden haben muss, dort zurecht zu kommen. Vielleicht nutzt er mittlerweile auch die Anlaufstellen, das weiß ich nicht. Mit Sicherheit ist er trotzdem auf irgendeine Weise eingebunden im Sinne von "man sieht sich und man kennt sich", da hast Du ganz bestimmt recht.
Ich überlege gerade: Ja, eigentlich bin ich damit so weit ausgesöhnt, wie man da ausgesöhnt sein kann. Aber die Sorge bleibt. Und die Ungewissheit bleibt. Und ich glaube, was ich begriffen habe, ist, dass zu jedem Zeitpunkt eine "Steigerungsform" der Erkrankung oder der ohnehin unvorstellbar besch... Situation möglich ist. Es kann immer noch schlimmer kommen, auch wenn ich es mir jetzt nicht vorstellen kann, und es wird mir auch das nächste Mal den Boden unter den Füßen wegreißen (können). In diesem Sinne bleibt auch die Sorge um mich selbst und ich muss eigentlich hoffen, dass es möglichst lange so bleibt, wie es gerade ist - und eben nicht schlechter wird. Und die jetzt "ruhige Zeit" nutzen, möglichst viele schöne Dinge im eigenen Leben zu genießen und weiter anzuleihern [Bild: https://forum.geschwisternetzwerk.de/ima.../smile.png].
Nochmal Danke für Deinen Beitrag - habe ihn zum Anlass genommen, innerlich mal eine Zwischenbilanz zu ziehen.
Liebe Grüße,
Hannah
danke für die tröstenden Worte und dass Du das Leben auf der Straße aus einer anderen Perspektive geschildert hast.
Von meinem Bruder weiß ich nur, dass er Anfangs bei all den vorhandenen Anlaufstellen war, um sie dann nach den ersten Besuchen für sich als mögliche Anlaufstellen kategorisch auszuschliessen, aus Gründen, ich sage mal, der psychotischen Verarbeitung der Realität. Ich weiß weiter, dass er sich von anderen Obdachlosen fern hält, warum auch immer, vielleicht ist ihm selbst die Gemeinschaft auf der Straße mit zu viel Nähe verbunden. Und ich mache mir Sorgen, dass er krankheitsbedingt kein "gesundes" Kälteempfinden hat (im Winter mit Sandalen und so), und er einfach irgendeinen Winter nicht mehr überlebt. Dazu kommt, dass er zeitweise psychotisch ist, d.h. aggressiv ist und herumschreit, was im besten Fall zu Polizeieinsätzen führt, die ihn für eine Nacht in die Psychiatrie bringen, im schlechteren Fall aber durchaus ja zu gewalttätigen Konflikten führen kann - auch, oder gerade auf der Strasse.
Andererseits - er lebt mittlerweile einige Jahre auf der Strasse und das bedeutet ja, dass er irgendwelche Wege gefunden haben muss, dort zurecht zu kommen. Vielleicht nutzt er mittlerweile auch die Anlaufstellen, das weiß ich nicht. Mit Sicherheit ist er trotzdem auf irgendeine Weise eingebunden im Sinne von "man sieht sich und man kennt sich", da hast Du ganz bestimmt recht.
Ich überlege gerade: Ja, eigentlich bin ich damit so weit ausgesöhnt, wie man da ausgesöhnt sein kann. Aber die Sorge bleibt. Und die Ungewissheit bleibt. Und ich glaube, was ich begriffen habe, ist, dass zu jedem Zeitpunkt eine "Steigerungsform" der Erkrankung oder der ohnehin unvorstellbar besch... Situation möglich ist. Es kann immer noch schlimmer kommen, auch wenn ich es mir jetzt nicht vorstellen kann, und es wird mir auch das nächste Mal den Boden unter den Füßen wegreißen (können). In diesem Sinne bleibt auch die Sorge um mich selbst und ich muss eigentlich hoffen, dass es möglichst lange so bleibt, wie es gerade ist - und eben nicht schlechter wird. Und die jetzt "ruhige Zeit" nutzen, möglichst viele schöne Dinge im eigenen Leben zu genießen und weiter anzuleihern [Bild: https://forum.geschwisternetzwerk.de/ima.../smile.png].
Nochmal Danke für Deinen Beitrag - habe ihn zum Anlass genommen, innerlich mal eine Zwischenbilanz zu ziehen.
Liebe Grüße,
Hannah