Alles, alles Gute für 2019!
#1
Liebe Mit-Geschwister,

ich hoffe, Ihr hattet friedliche oder zumindest die bestmöglichen Weihnachten und konntet ein bisschen zur Ruhe kommen oder hattet wenigstens weniger Stress als befürchtet. 

Meine Schwester ist aktuell in der Klinik und hat keinen Ausgang. Üblicher Weise dreht sich zu Weihnachten immer alles um sie: Kommt sie, kommt sie nicht? Wenn ja wann und wie lange? Wie können wir es vermeiden, dass wir uns sofort streiten? Wie ertragen wir die andauernden Vorwürfe und die immer gleichen Geschichten, warum sie für nichts, was ihr widerfährt, selbst verantwortlich ist und wer sich alles verschworen hat, um ihr Leben zu zerstören? Was können wir machen, damit es nicht immer nur um sie geht, sondern auch für unsere Wünsche noch Raum bleibt?

Aufgrund der akuten Situation, war in diesem Jahr die Sorge noch ein gutes Stück größer, und ich bin dankbar, dass unser Weihnachtsfest gelassen und ereignislos verlaufen ist. 

Gleichzeitig gibt mir das die Möglichkeit einfach mal zu reflektieren und mir zu überlegen, was ich im nächsten Jahr anders machen will - und das dann hoffentlich auch umzusetzen. 

Ich glaube, ich habe endlich akzeptiert, dass ich meiner Schwester nicht helfen kann. Egal, wie sehr ich mich bemüht habe, ich habe ihre Situation nicht dauerhaft verbessert. Nichts was ich getan habe, hat ihr wirklich geholfen, aber ich habe dafür einen hohen Preis bezahlt. Gerade im letzten halben Jahr hat mein eigenes Leben praktisch nicht mehr stattgefunden, weil mich die Krankheit meiner Mutter und meiner Schwester so beschäftigt haben, dass ich keine Kraft mehr hatte, Dinge zu tun, die mir Freude machen. Ich habe nur noch funktioniert und mich die ganze Zeit am Rande einer Depression oder einem Burn Out entlang gekämpft.

Im nächsten Jahr muss das anders werden. Die Energie, die ich investiere, um das Leben meiner Schwester zu verbessern, verpufft einfach. Mich kostet es Kraft, ihr bringt es nichts. Ihr kann ich nicht helfen, mir schon. Auf ihr Verhalten habe ich keinen Einfluss, aber ich werde daran arbeiten, meins zu ändern. 

Ich werde mir einen dicken, fetten Zettel schreiben, was ich getan habe, um sie unterstützen. Ich werde versuchen zu rekonstruieren, warum ich das getan habe und warum ich gedachte habe, es würde helfen. Und dann werde ich aufschreiben, was es tatsächlich gebracht hat. Außerdem will ich aufschreiben, was passiert ist, wenn ich mich anders verhalten habe, wenn ich sie gezwungen habe, selbst aktiv zu werden, statt sich auf mich als bequeme Lösung zu verlassen. Die Fälle gab es nämlich auch. Und oft hat sie dann eine andere Lösung gefunden. Ich muss das nur aushalten. 

Ich hoffe, dass es mir damit gelingt, aus dem Helfer-Modus auszubrechen. Ich möchte für mich sichtbar machen, dass ich mich wirklich bemüht habe und es keinen Grund gibt, mich schuldig zu fühlen. Und ich möchte mir vor Augen führen, dass meine Energie verschwendet war und dass es sich nicht lohnt, wenn ich versuche, gegen die Krankheit meiner Schwester anzukämpfen, solange sie selber nicht aktiv wird. 

Ich würde mich sehr freuen, zu erfahren, ob bzw. welche Lösungen Ihr gefunden habt, um mit der Situation umzugehen und damit, was sie mit Euch macht. Habt Ihr Tipps und Tricks oder einfach nur Erfahrungen, die ihr zu teilen bereit seid? Das fände ich sehr hilfreich.

Ich wünsche Euch und Euren Familien und Angehörigen alles, alles Gute für 2019.

Nick
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#2
Liebe Nick,

ich wünsche dir und allen Mit-Geschwistern auch alles alles Gute für 2019.

Mein Weihnachten war wieder dermaßen scheußlich, ich will auch gar nicht darüber schreiben. Ich vermisse das alte Weihnachten noch immer sehr. Wo meine Mutter noch gelebt hat, meine Schwester noch relativ gesund war usw. Mein Vater, der ja jetzt alt ist, im Heim lebt, verbittert ist und früher schon immer zu Weihnachten schlechte Laune hatte und richtig böse war, konnte man zu der Zeit ja noch besser ertragen. Heute geht das bei mir nicht mehr. Egal, jetzt zu dir.

Ich wünsche dir, das du den Weg so gehst oder es zumindest versuchst, wie du ihn vor dir hast. Meine Erfahrung ist folgende. Ich habe für mich auch entschieden, das ich meiner Schwester nicht helfen kann, so lang sie sich nicht helfen lassen will. Ich will auch immer versuchen, mein eigenes Leben zu leben. Natürlich bin ich für sie da, aber ich muss es schaffen, mich abzugrenzen. Wenn sie geht und ich wieder ihre Aggressionen abbekommen habe, muss ich lernen, das abzuschütteln. Manchmal denke ich, so jetzt schreie ich auch mal zurück. Das habe ich noch nie gemacht, wäre mal interessant, wie meine Schwester oder auch mein Vater darauf reagieren würden. Ich will keine Helfer mehr sein. Wir werden es eh nie gedankt bekommen. Und schuldig sind wir schon gar nicht.

Tipps und Tricks habe ich auch keine. Ich lenke mich halt viel durch Lesen ab. Da kann ich halt in eine andere Welt abtauchen. Manchmal bin ich allerdings eher froh, wenn sie böse ist, dann kann ich mich besser abgrenzen, als wenn es ihr so schlecht geht, sie weint und bei mir Hilfe sucht, die ich eh nicht geben kann. Ich bin kein Arzt, ich kann sie nicht heilen. Und das kannst du auch nicht.

Alles Liebe
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#3
Liebe Maulwürfel,

danke für Deine Erfahrungen und Ratschläge und es tut mir leid, dass Du ein übles Weihnachten hattest. Vielleicht hast Du im nächsten Jahr eine Chance, übellaunige und kranke Familienmitglieder zu meiden? Ich weiß, dass es schwer fällt, denke mit aber immer, dass ich ihren Tag ohnehin nicht verbessern kann, meinen aber ganz gewaltig.

Was das Anschreien anbelangt, muss ich zugeben, dass ich das regelmäßig tue. Nicht das es irgendetwas hilft, schaden tut es aber auch nicht. Ich versuche mir ganz lange vorzusagen, dass meine Schwester krank ist und dass es ihre Krankheit ist, die da "spricht". Dann kann ich es eine Weile länger aushalten, aber eben auch nicht dauerhaft. Jedesmal wenn wir reden, kreisen meine Gedanken anschließend darum, was ich anderes hätte sagen sollen, was ich hätte probieren können, um sie vielleicht doch positiv zu beeinflussen. Dabei weiß ich eigentlich, dass ich sagen kann, was ich will, und es hat keinen Einfluss. Trotzdem liege ich nachts wach und meiner anderen Schwester geht es genau so. Anschreien oder einfach auflegen ist da mal eine echte Alternative. Wobei ich mich mit beide wirklich schwer tue. 

Mal gucken, wie das am Freitag wird, da steht für uns ein Familiengespräch in der Klinik an, denn den Profis gelingt es aktuell auch nicht, meiner Schwester zu helfen. Sie hat weiter keine Krankheitseinsicht und verweigert die Behandlung. Jetzt hofft die Ärztin, dass wir evtl. Einfluss nehmen können. Da bin ich ja mal gespannt. 

Gegen die Einweisung hat sie Einspruch eingelegt, der aber laut Klinik sicher abgewiesen wird, wobei auch die offensichtlich nicht wissen, was sie tun sollen, wenn sie sich nicht behandeln lässt. Theoretisch können sie sie zwar wohl 3 Monate festhalten, aber die Frage ist wozu, wenn sich doch ihr Zustand nicht ändern wird. Nur weil es dann draußen wärmer ist? Für mich ist das auf der einen Seite ein böses Erwachen. Ich hatte immer die Zwangseinweisung für eine extrem drastische Maßnahme gehalten aber dann zumindest erwartet, dass sich was bewegt. Ich hoffe jetzt mal weiter, trotzdem ist es ernüchternd. Gleichzietig unterstreicht es aber auch nochmal, wie wenig ich selber tun kann.

Insgesamt bin ich ohnehin nicht optimistisch. Wir waren schließlich schon mal an der gleichen Stelle und sie hat Medikamente genommen, dann aber wieder abgesetzt. Selbst wenn sie sich jetzt behandeln lassen sollte, bin ich überzeugt, das passiert wieder. Immerhin habe ich jetzt in ihrer Heimatstadt eine Betreuung angeregt und sie kriegt hoffentlich dann die Infrastruktur, mit der ich es mir dann selber erlauben kann, mich rauszuhalten. 

Als Voraussetzung muss ich jetzt aber erstmal weiter an meiner Liste schreiben [Bild: https://forum.geschwisternetzwerk.de/ima...s/wink.png]
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#4
Hallo,

ich bin neu hier und wohl lange nicht so "schlimm" dran wie die meisten. Meine Schwester ist 6 Jahre jünger als ich. Unsere Eltern starben kurz hintereinander in den 70er Jahren. Damals war meine Schwester 12 bzw. 14 Jahre alt. Sie kam in Obhut eines Onkels, dessen Frau Alkoholikerin war und sich vor den Zug warf. Meine Schwester war damals 16 und hat sie wohl als letzte gesehen. Es muss dann wohl auch sehr unschöne Annäherungsversuche dieses Onkels gegeben haben.

Diese Traumata hat meine Schwester nie überwunden. Obwohl nicht ärztlich diagnostiziert kann man sagen, dass diese traumatischen Ereignisse ihre Entwicklung in der Pubertät massiv gestört haben. Bis heute, sie ist jetzt Mitte 50, konnte sie keine Beziehung eingehen, hat riesige Beziehungsängste und pflegt kaum oder wenn überhaupt sehr oberflächliche Bekanntschaften.

Unsere Eltern empfanden "Seelenklempner" als puren Unsinn. Das ist wahrscheinlich bei ihr hängen geblieben und sie sieht das bis heute so. Sie hat sich nie helfen lassen lassen wollen. Meine diversen Anregungen hat sie strikt abgelehnt, hat schließlich meinen letzten konkreten Versuch in dieser Richtung als Anfeindung gesehen und vor gut 15 Jahren ihren Kontakt zu mir gänzlich abgebrochen. Briefe kommen ungeöffnet als unzustellbar zurück, meine Email steht auf ihrer Spam-Liste.

Ich kenne daher das Phänomen des sich-nicht-helfen-lassen-wollens und hoffe (wie z.B. auch du, Nick) in diesem Forum mehr darüber erfahren zu können.

Eine persönliche Erfahrung: Man muss loslassen, wenn es nicht anders geht. Kontakt oder gar ein Näheverhältnis kann man keinem aufzwingen, auch keinem nahen Angehörigen. Dies habe ich in meiner Therapie lernen müssen.

Euch allen ein gutes Neues Jahr! Seid stark und bleibt optimistisch!

GG
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#5
Lieber GerhardG, 

danke für deine Nachricht. Mir hilft es sehr, wenn andere sagen, dass es "OK ist", keinen Kontakt zu haben oder zu wollen - und wie schwer es ist, sich das selbst zuzugestehen.

Bzgl. des "nicht so schlimm dran": ich glaube nicht, dass es wirklich Unterschiede gibt. Jede/r quält sich, macht sich Sorgen, will helfen und leidet, wenn das nicht gelingt. Mich hat meine Schwester nicht weniger beschäftigt, als sie noch nicht so extrem neben der Spur war. Da war das Gefühl, dass ich was tun kann und muss noch viel stärker. Und meine Freunde hatten viel weniger Verständnis. Sie konnten nicht begreifen, warum ich nicht einfach loslasse. Jetzt kapieren es alle und ich habe ja auch immer wieder spektakuläre Geschichten zu erzählen. Für meine Schwester ist die Situation schlimmer. Für mich wiegt sich das irgendwie auf. Nicht schön.

Alles Gute für Dich!

Nick
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#6
Liebe Nick, lieber GerhardG ( schöner Name ),

ich finde auch es gibt kein, schlimmer oder nicht so schlimm. Jeder empfindet es halt auch anders. Ich kann es gut verstehen, gerade wenn man noch jung ist, und den Kontakt abbricht. Ich weiß selber nicht, ob ich es noch mal machen würde, ich denke nicht. Aber für mich ist es jetzt zu spät. Ich kann nur versuchen, mit der Situation mal besser mal schlechter umzugehen. Aber auch die, die Kontakt abbrechen, haben es ja nicht unbedingt besser. Das schlechte Gewissen ist ja nicht weg. Es wird immer ein kleines Teufelchen auf der Schulter sitzen und sagen, du hättest mehr helfen müssen oder dir geht es einfach viel zu gut und deiner Schwester so schlecht, darum ist es richtig, das du leidest, usw.

Wir alle hier im Forum haben mit dem Thema nicht abgeschlossen, ob nun mit Kontaktabbruch oder nicht, sonst würden wir hier nicht immer Rat oder Zuspruch suchen. Das zeigt ja schon, das uns unsere kranken Geschwister nicht egal sind, auch wenn unsere Hilfe nie gefruchtet hat und auch nicht fruchten wird. Geschwister, die es geschafft haben, sich abzugrenzen, suchen hier im Forum keine Hilfe mehr.

Meine Schwester wird sich glaube ich in diesem Leben keine Hilfe mehr suchen, ich habe es aufgegeben. Manchmal bin ich eher froh, wenn sie aggressiv ist, dann plagt mich mein Gewissen nicht so stark, und ich gebe ihr zumindest gedanklich mal kontra [Bild: https://forum.geschwisternetzwerk.de/ima.../angry.png]

Wenn sie lieb ist und weint, ist das alles emotional viel schwieriger [Bild: https://forum.geschwisternetzwerk.de/ima...es/sad.png]


Alles nicht einfach. Und dann habe ich am Dienstag auch noch einen Zahnarzttermin. Aggressive Parodonthose. Mir tun jetzt schon die ganzen Zähne weh. Na ja, soviel auch mal zu unseren Dingen, da fragt ja nie einer nach. [Bild: https://forum.geschwisternetzwerk.de/ima...s/wink.png]

Alles Gute für Euch
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#7
Liebe Maulwürfel,

ich hoffe, Du hast Deine Zahnbehandlung gut überstanden! Klingt ja echt fies! Und Du hast völlig Recht, mehr Sorge um uns selbst!

Was Du über das Abgrenzen und das Forum sagst, stimmt natürlich. Da kann ich nur hoffen, dass ich auch an den Punkt komme, dass ich hier nicht mehr lese und schreibe ;-)

Herzliche Grüße

Nick
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