Psychose/Schizophrenie kommt wieder
#1
Ich bin über googlen auf dieses Forum gestoßen, da ich gerade in einer beschissenen Situation stecke und irgendwie versuche, vllt einen Ausweg zu finden oder zumindest auf Verständnis zu stoßen.
Um anzufangen muss ich die Situation zunächst einmal grob erklären.
Ich (25) wohne mit meiner Mutter (56) und meinem Bruder (24) zusammen.
Mein Bruder wurde als Jugendlicher (16/17) mit paranoider Schizophrenie diagnostiziert. Damals war er zunächst in einer Jugendpsychatrie etwas weiter weg, später noch einmal in einer Psychatrie für Erwachsene. Danach hatte er sich zunächst gefangen und bekommt seit dem (ca. 5 Jahren) Quetiapin, anfangs noch in sehr hohen Dosen, die über die Jahre immer kleiner wurden. Ihm ging es besser, er hat sein Abitur bestanden und ein Studium begonnen, und hat dieses Jahr einen guten Werksstudenten Job mit Home Office bekommen. Er bekam bis vor kurzem noch eine Dosis von 50mg Quetiapin, mit der er gut klarkam. Er muss immer in eine psychiatrische Ambulanz, um sein Rezept zu bekommen, und ein kurzes Gespräch zu führen. 
Hier wurde ihm dann vor 3 Wochen eine Dosis von 25mg verordnet. Um die gleiche Zeit hatte ich einen schwereren Unfall, bei dem ich mir das Knie stark verletzt habe (Kreuzbandriss vorne und hinten, Tibiakopfbruch...), und war fortan den Großteil der Zeit bei Ärzten und Krankenhäusern, seit Mittwoch bin ich nach einer OP stationär im Krankenhaus. Und hier beginnt, wie ich glaube, die Abwärtsspirale.
Er bekam Magenprobleme und konnte nicht mehr gut schlafen, schlief also nur noch sehr wenig, was er auf die Bauchschmerzen zurückführte. Sein Schlafrythmus geriet außer Balance, trotzdem stand er früh auf um zu arbeiten, hatte also Schlafentzug.
Dann fing er an, sich immer mehr zurückzuziehen, und war bei besorgtem Nachfragen meiner Mutter oder mir schnell gereizt.
Seit Anfang dieser Woche ist sein Verhalten komplett anders. Er wirkte Dienstags total unter Strom, und hatte sich mit meiner Mutter gestritten, beziehungsweise ihr alles gesagt, was ihn an ihr und dem Zusammenleben stört und nervt. Unsere Mutter ist trockene Alkoholikerin und hat Probleme mit ihrem Gedächtnis, und bei Sachen mit Behörden etc. wendet sie sich oft an ihn, damit er es für sie erledigt. Damit war er überfordert und wolle das nicht mehr, und noch mehrere andere Sachen.
Aussage war im Endeffekt, er wolle sich auf sich konzentrieren und wir sollten ihn nicht mehr mit "unserem" Kram nerven. Seit dem fragte er auch nicht mehr nach, wie es mir und meinem Knie geht, wo er die Woche zuvor noch jedes mal ernsthaft besorgt nachfragte wie es mir denn ginge. Als ich ihn darauf ansprach, dass er sich so komisch verhält, und ob das mit dem Medikament zu tun haben könnte, zeigte er zunächst Einsicht und sicherte mir zu, sich bei der psychiatrischen Ambulanz darum zu kümmern. Das war am nächsten Tag, als ich im Krankenhaus war, komplett vergessen. Wenn wir ein Problem hätten, sollten wir doch zu seinem Psychiater gehen und den fragen, ihm ginge es gut. Auf jegliche Ansprache reagiert er defensiv, aber dabei aggressiv. Wir "laufen am Leben vorbei", er hätte "alles im Griff" und wir müssten ihn bloß in Ruhe lassen. Aber sowohl ich als auch meine Mutter merken, dass er auf dem Weg bzw. schon in einer Psychose drin ist, was er natürlich abstreitet. Nun soll ich bald aus dem Krankenhaus entlassen werden, und darf mein Knie 6 Wochen lang nicht belasten, kann also nur auf Krücken gehen. Laut meiner Mutter ist er seit dieser neue Zustand eingetreten ist sehr geräuschempfindlich, und meinte auch mein Gehen auf Krücken durch die Wohnung störe ihn. Da er verbal so aggressiv ist, und ich ihn in diesem Zustand schon über 7 Jahre nicht mehr erlebt habe, habe ich auch Angst, dass es zuhause zu einem Konflikt kommen könnte, er war jedoch nie gewalttätig, auch nicht in akuten psychotischen Phasen. Mit meinem kaputten Knie habe ich nun aber doppelt "Angst", falls es zu einer physischen Auseinandersetzung käme, würde das meine Genesung wieder auf null setzen. Er ist für mich einfach so unberechenbar, aus irgendeinem Grund habe ich jetzt fast schon Angst nach Hause zu kommen. Habe sogar schon meine Freundin gefragt, ob ich bei ihr unterkommen könnte. Meine Mutter meint jedoch ich sollte ganz normal heim kommen, und wir sollten normal und beständig zuhause sein. Sie hatte zuvor mit seinem Psychologen gesprochen (bei dem er seit 3 Jahren nicht mehr ist, aber der Psychologe kennt ihn gut.)
Ich weiß echt nicht was ich machen soll, ich muss mich um meine Genesung kümmern, will meine Mutter nicht alleine mit dem Problem lassen, und eigentlich wollen wir auch nicht, dass es so weit eskaliert, dass er zwangsweise mit RTW und Polizei eingewiesen werden muss. Was aber gut möglich sein kann, wenn sich sein Zustand nicht stark verbessert.
Ich habe bestimmt einige Details vergessen, fragt gerne nach, und wenn ihr irgendwelche Ratschläge, Anlaufstellen etc. habt lasst sie mich hören.
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#2
Hallo M4SPCL,
es ist hier wirklich schwierig einen guten Rat zu geben.
Vielleicht kannst du den Krisendienst kontaktieren und deine Situation schildern?
Vielleicht kannst du ihn auch überreden wieder zu dem euch bekannten Psychologen zu gehen und dort nach den Medikamenten / höhere Dosis fragen? 
Sorry, mehr fällt mir hier gerade leider nicht ein.
Vielleicht/hoffentlich gibt es jemanden hier im Netzwerk der dich besser unterstützen kann.
Grüße,
werwoiss
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#3
Guten Morgen M4SPCL,

das, was ich Dir gleich schreiben werde, ist vielleicht schwierig für Dich umzusetzen. Zumindest wäre es für mich in Deinem Alter schwer umzusetzen gewesen. Ich bin zu einer ziemlichen Selbstlosigkeit erzogen worden, die ich mir erst im Erwachsenenalter mühsam abgewöhnt habe. Vor dem Hintergrund hätte ich die folgenden Tipps in Deinem Alter nicht umsetzen können. 

Wie ich mal gelernt habe, bist Du selbst die wichtigste Person in Deinem Leben. Deine wichtigste Aufgabe sollte sein, für Dein eigenes Wohlbefinden zu sorgen. Wer sollte es sonst in ausreichendem Maße tun, wenn nicht Du? Je besser es Dir geht, umso besser kannst Du Dein Leben gestalten und umso besser kannst Du letztendlich auch Deiner Familie helfen. 

Momentan sollte die Heilung Deines Knies für Dich Vorrang haben. Eine Verletzung am Knie ist eine schwierige Geschichte. Je besser sie ausgeht, umso besser kannst Du Dein Knie künftig wieder belasten. Und das willst Du sicherlich noch mindestens 60 Jahre tun, stimmt's? Ein wichtiger Faktor für eine Genesung ist das seelische Wohlbefinden. Du schriebst, dass Du Angst vor Deiner Rückkehr nach Hause hast. Das kann ich absolut nachvollziehen, mir würde es an Deiner Stelle ganz genauso gehen. Diese Unsicherheit wäre Deiner Heilung bestimmt nicht förderlich. Außerdem würde es schwer werden, Dich bei dem momentanen, krankheitsbedingten Tohuwabohu auf die Heilung zu konzentrieren. Deshalb würde ich an Deiner Stelle zu Deiner Freundin gehen, wenn das möglich ist. 

Eine sichere Basis ist wichtig für Deine Genesung. Und sie ist wichtig um vernünftige, besonnene Hilfe für andere leisten zu können. (Ich weiß, wovon ich spreche, meine letzten Arbeitsstellen waren Flüchtlingsunterkünfte - mit sehr respektvollen Bewohnern. "Haarige" Probleme gab es dennoch immer wieder.) Erst einmal bei Deiner Freundin zu wohnen heißt nicht, Deine Familie alleine zu lassen. Du kannst mit beiden Mitgliedern Kontakt halten und ihr könnt überlegen, welche Schritte als Nächstes sinnvoll wären.  

Deine Mutter und Du möchtet nicht, dass es weiter eskaliert. Das ist natürlich vollkommen verständlich, Ihr liebt Deinen Bruder, "die ganze Sch…" rund um die Erkrankung ist nur schwer mit anzuschauen. Auch mein Bruder hat Schizzophrenie, es gab über die Jahre einige Psychiatrieaufenthalte. Im Laufe der Zeit lerne ich immer mehr, dass unser Einfluss auf das Leben anderer Menschen sehr begrenzt ist. Ihr könnt Euch um alle Hilfe von außen bemühen, die zur Verfügung steht. Ob diese am Ende greift, liegt nicht in unserer Hand. 

Ich wünsche Dir möglichst viel innere Ruhe, Besonnenheit und natürlich eine gute Besserung für Dein Knie. Hoffentlich hilft Dir meine Antwort noch etwas, ich habe Deinen Beitrag erst heute gesehen, bin nicht oft in diesem Forum.

Herzlichen Gruß 
Andrea
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