Eltern und Suchterhaltung
#1
Liebes Forum, 

weiß gar nicht, ob ich hier richtig bin, aber alles was ich bis jetzt als Gast gelesen habe, hat mich sehr an meine Gefühle für meine Mutter und Schwester erinnert. 

Deswegen versuche ich es jetzt mal mit meinem Anliegen an Euch heranzutreten:

Meine Schwester kämpft seit Jahren mit der Drogensucht. Eine psychiatrische Diagnose hat sie letztes Jahr zwischen Weihnachten und Neujahr bekommen. Es war eine drogeninduzierte Psychose. Der sozialpsychiatrische Dienst hat mir damals geholfen das zu verstehen. Als ich mit ihr telefoniert habe, war ich nur noch geschockt im ersten Moment, obwohl ich schon viel mit ihr erlebt habe. Vielleicht sollte ich dazu sagen, dass ich da noch gestillt habe und mein Leben durch meinen Sohn schon genug auf den Kopf gestellt war. Im positiven Sinne natürlich :-) 

Mein Problem im Moment ist meine Mutter und ihr Mann. Sie helfen ihr ständig und setzen sich nicht mit ihrer Krankheit auseinander. Sie verdrängen, beschönigen etc. Manchmal entwerten sie sie aber auch und geben ihr das Gefühl, dass sie nicht in Ordnung ist.

Sie wollen, dass ich sie Weihnachten mit meinem Sohn besuchen komme, aber ich weiß nicht, ob ich das kann. Da sitzt ein tiefer Schmerz und ich glaube das tut mir und damit auch meinem Sohn nicht gut. Aktuell lügen sie mich zumindest nicht an, was sie für meine Schwester tun. Das ist schon ein Fortschritt zu früher. Was ich mir schon alles anhören musste, weil ich die Wahrheit gesagt habe, ist echt unglaublich. Meinem Mann ist das alles längst zu viel. Er möchte keinen Kontakt mehr. 

Meine Frage: Wie seht ihr das? Bei der Steuer helfen, ihr die Mitgliedschaft im Mieterschutzbund finanzieren (Räumungsklage ist bereits in Gange), die Wäsche waschen... Das sind doch suchterhaltende Maßnahmen, oder? Auf Dauer verschlimmern sie damit die Situation doch nur.
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#2
Liebe Biggib,

kenne mich mit Sucht(erhaltung) nicht wirklich aus...

Was ich aber kenne ist die Situation zwischen Eltern und Schwester zu stehen, alle unterstützen zu wollen und sich selbst dabei mehr und mehr zu vergessen bzw. außer Acht zu lassen...

Das Buch "übersehene Geschwister" von Jana Hauschild beinhaltet vieles von dem wonach du suchst. Vielleicht hilft es dir das Buch zu lesen.
Lesen mit einem kleinen Kind ist eine Herausforderung, das kann ich auch aus eigener Erfahrung berichten :-), aber dieses Buch lohnt sich sicher.

Wichtig ist, bei allen lieben Menschen, welchen man helfen will, vor allem auf sich selbst und seine eigenen Kinder zu achten und sich um sie zu kümmern. Das hat die höchste Priorität.
Bei allem vergessen wir manchmal, dass wir vor allem auf uns selbst und unsere Gesundheit achten müssen. Es gibt aktuell einen ganz tollen podcast der sich "angehören" nennt und vom ApK München super umgesetzt wird. Unter Punkt 3 gibt es zum Beispiel tolle Themen zu "Selbstfürsorge". Hören ist mit einem kleinen Kind ja oft leichter als lesen... ;-)

Ohne dass es uns selbst gut geht können wir niemanden unterstützen. Das ist aus meiner Sicht eine Tatsache. Und daher ist es ganz wichtig, dass wir zunächst für uns selbst und unser eigenes Wohlbefinden sorgen.

Man kann auch nicht erwarten, dass unsere Ehepartner die Situation verstehen und wir müssen akzeptieren, wenn es ihnen zu viel wird und sie sich rausnehmen. Wenn Sie auf sich selbst und deren Wohlbefinden achten und für uns und unsere Kinder da sind, dann ist das gut. Alles weitere müssen wir selbst in die Hand nehmen und für uns selbst Sorge tragen.

Hoffe für dich, dass du die Frage bezüglich Weihnachten gut lösen konntest und dort vielleicht schon auf dich selbst und deinen Sohn achten konntest. 

Zu deiner eigentlichen Frage. Zu dieser kann ich leider gar nichts beitragen, weil meine Schwester keine "Sucht" hat... Vielleicht/hoffentlich meldet sich ja dazu noch jemand hier im Netzwerk, der hier Erfahrungen hat und an dich weitergeben kann.

VG,
werwoiss
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#3
(21.12.2020, 18:56)Biggib schrieb: Liebe Biggib,
ich kann mich voll und ganz mit deinem Beitrag identifizieren. Ich habe einen alkoholabhängigen Bruder und wir haben in den letzten 10 Jahren schon Einiges Unschönes erlebt...
Was mir erstmal hilft ist die Gewissheit, dass meine Eltern und ich wissen, dass er krank ist. Da ist gar nichts mehr zu leugnen. Wir haben ein bisschen gebraucht, bis wir mit Gewissheit sagen konnten: ja, er ist süchtig, er ist Alkoholiker. da haben uns Selbsthilfegruppen und ein gemeinsames Seminar in einer Suchtklinik (wo mein bruder einen Aufenthalt hatte) geholfen. Ich finde es schwierig, wenn sie das nicht einsehen und sich selbst das eingestehen. Da bist du evtl. schon einen Schritt weiter.
Und ja, als Eltern helfen sie. Wir haben gelernt, dass man das nicht mit einfach Richtig oder Falsch bewerten kann. Ich kann es verstehen, wenn du da fassungslos bist, weil sie dermaßen viel für sie tun. Aus meiner Sicht ist das auch nichts, was irgendwas an der Situation verbessern wird. Der springende Punkt wird immer sein, dass deine Schwester den Willen hat, mit ihrer Sucht so umzugehen, dass sie ein für sich lebenswertes Leben führen kann. Und vielleicht wirst du es auch so erleben wie ich: nämlich, dass alles in Schwankungen abläuft. Denn auch deine Eltern stecken da in einer "Reise" drin. Mal werden sie an einem Strang ziehen, weil sie gleicher Meinung sind. Mal wird der eine schwächer als der andere sein und mehr tun für die Schwester, als der andere. Mal werden sie sich vornehmen, einen Schlussstrich zu ziehen. Und immer diese Hoffnung, dass etwas besser wird/hilft usw. Vielleicht läuft es bei euch anders. Falls du Parallelen erkennst: das ist der Schatten, der die Sucht über die ganze Familie legt. Und das kann Jahre gehen, je nachdem, wie sich die Situation deiner Schwester entwickelt. Ich habe in der Zwischenzeit 2 Kinder bekommen. Und gerade bei der Geburt des 2. Kindes hätte ich meine Eltern gerne mit mehr Kraft und Aufmerksamkeit für mich gehabt. Da sitzt auch bei mir ein Schmerz und viel Wehmut, weil unsere Familie einfach ein Stück weit Gelassenheit/Unbeschwertheit verloren hat. Und es IST einfach ungerecht für dich: dass du ein klares Standing hast und deine Eltern (vermeintlich) nicht, dass du ggf. mehr Unterstützung/Aufmerksamkeit für dich und dein Kind bekommen solltest usw. Auch meinem Partner ist es streckenweise einfach zu wirr und ätzend geworden; mir selbst auch. Möglicherweise musst du dich mit neuen Fragen auseinandersetzen: wie viel Kontakt zu den Eltern ist in Zukunft gesund für mich, wie kann ich meinen Eltern zeigen, dass ich verletzt bin und kann/will ich das überhaupt zeigen, wie bekommt das Enkelkind genug Aufmerksamkeit, welchen Weg finde ich mit meinem Partner, damit unsere Familie behütet bleibt und wir nicht ständig in den Strudel der Suchtthematik bzw. Auseinandersetzung mit den Eltern kommen usw.?...
Ich hoffe, dieser Beitrag ist nicht zu pessimistisch für dich, aber ich möchte dir da auch nichts vormachen. Das kann ganz schöne Kreise ziehen.
Wenn du magst, schreibe gerne, ob es Parallelen gibt und wie Weihnachten gelaufen ist.
Herzlich, KaKi
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#4
Smile 
Hallo Biggib,

das Thema Eltern und Co-Abhängigkeit beschäftigt mich ebenso und ich sehe es genau wie du: Wenn alles für die Schwester organsiert und gemacht wird, wie soll da eine positive Entwicklung eintreten, wie soll sich da etwas verändern? Manchmal muss man ja auch erstmal tief fallen, um zu merken, dass sich etwas ändern muss. Mir fällt es zusehends schwerer mir anzuschauen, wie meine Eltern meine Schwester umsorgen und sie so zu einer unselbständigen Person machen. Mich würde daher das Thema emotionale Abgrenzung interessieren-wie machst du das, wie machen andere das? Kontaktabbruch kommt für mich nicht in Frage, aber jedes Mal die Nacht wach liegen und mich ärgern oder mir Gedanken machen, wenn meine Eltern mal wieder am Telefon erzählt haben, was sie wieder für sie gemacht haben, möchte ich auch nicht mehr. -.- Vielleicht hat ja jemand eine Idee oder einen Tipp. Smile

Liebe Grüße,
Anne
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