28.01.2021, 00:54
(21.12.2020, 18:56)Biggib schrieb: Liebe Biggib,
ich kann mich voll und ganz mit deinem Beitrag identifizieren. Ich habe einen alkoholabhängigen Bruder und wir haben in den letzten 10 Jahren schon Einiges Unschönes erlebt...
Was mir erstmal hilft ist die Gewissheit, dass meine Eltern und ich wissen, dass er krank ist. Da ist gar nichts mehr zu leugnen. Wir haben ein bisschen gebraucht, bis wir mit Gewissheit sagen konnten: ja, er ist süchtig, er ist Alkoholiker. da haben uns Selbsthilfegruppen und ein gemeinsames Seminar in einer Suchtklinik (wo mein bruder einen Aufenthalt hatte) geholfen. Ich finde es schwierig, wenn sie das nicht einsehen und sich selbst das eingestehen. Da bist du evtl. schon einen Schritt weiter.
Und ja, als Eltern helfen sie. Wir haben gelernt, dass man das nicht mit einfach Richtig oder Falsch bewerten kann. Ich kann es verstehen, wenn du da fassungslos bist, weil sie dermaßen viel für sie tun. Aus meiner Sicht ist das auch nichts, was irgendwas an der Situation verbessern wird. Der springende Punkt wird immer sein, dass deine Schwester den Willen hat, mit ihrer Sucht so umzugehen, dass sie ein für sich lebenswertes Leben führen kann. Und vielleicht wirst du es auch so erleben wie ich: nämlich, dass alles in Schwankungen abläuft. Denn auch deine Eltern stecken da in einer "Reise" drin. Mal werden sie an einem Strang ziehen, weil sie gleicher Meinung sind. Mal wird der eine schwächer als der andere sein und mehr tun für die Schwester, als der andere. Mal werden sie sich vornehmen, einen Schlussstrich zu ziehen. Und immer diese Hoffnung, dass etwas besser wird/hilft usw. Vielleicht läuft es bei euch anders. Falls du Parallelen erkennst: das ist der Schatten, der die Sucht über die ganze Familie legt. Und das kann Jahre gehen, je nachdem, wie sich die Situation deiner Schwester entwickelt. Ich habe in der Zwischenzeit 2 Kinder bekommen. Und gerade bei der Geburt des 2. Kindes hätte ich meine Eltern gerne mit mehr Kraft und Aufmerksamkeit für mich gehabt. Da sitzt auch bei mir ein Schmerz und viel Wehmut, weil unsere Familie einfach ein Stück weit Gelassenheit/Unbeschwertheit verloren hat. Und es IST einfach ungerecht für dich: dass du ein klares Standing hast und deine Eltern (vermeintlich) nicht, dass du ggf. mehr Unterstützung/Aufmerksamkeit für dich und dein Kind bekommen solltest usw. Auch meinem Partner ist es streckenweise einfach zu wirr und ätzend geworden; mir selbst auch. Möglicherweise musst du dich mit neuen Fragen auseinandersetzen: wie viel Kontakt zu den Eltern ist in Zukunft gesund für mich, wie kann ich meinen Eltern zeigen, dass ich verletzt bin und kann/will ich das überhaupt zeigen, wie bekommt das Enkelkind genug Aufmerksamkeit, welchen Weg finde ich mit meinem Partner, damit unsere Familie behütet bleibt und wir nicht ständig in den Strudel der Suchtthematik bzw. Auseinandersetzung mit den Eltern kommen usw.?...
Ich hoffe, dieser Beitrag ist nicht zu pessimistisch für dich, aber ich möchte dir da auch nichts vormachen. Das kann ganz schöne Kreise ziehen.
Wenn du magst, schreibe gerne, ob es Parallelen gibt und wie Weihnachten gelaufen ist.
Herzlich, KaKi