Hilfe durch Kontaktabbruch, hat jemand positive Erfahrun
#1
Hallo an alle Kümmerer,

ich wollte mal eine Frage ins Forum stellen. Ich habe mir öfter schon mal überlegt, ob man durch Kontaktabbruch bzw. durch "Drohen" damit, den Kranken zwingen sollte, zum Arzt zu gehen. Ich weiß, das ich das nicht schaffen werde, aber mich würde mal wirklich interessieren, ob das bei einer Schwester oder einem Bruder geklappt hat? Ich hätte zuviel Angst, das meine Schwester dann vollkommen allein auf sich gestellt, den finalen Schritt unternimmt, aber vielleicht täuscht man sich ja auch. Ein Trinker, sagt man ja, hört auch erst auf, wenn er ganz unten ist, und keinen mehr hat, oder aber er trinkt sich auch zu Tode.

Bin sehr gespannt und freue mich auf hoffentlich ein paar Erfahrungsberichte.

Dann wollte ich noch mal kurz ein Lanze für unsere Kranken brechen. Ich finde es immer wieder bewundernswert, wieviel Kraft sie aufwenden, um den Alltag zu meistern. Meine Schwester wird im September wieder arbeitslos. Ich denke schon mit Grauen daran. Wir haben vor 4 Jahren schon ca. 150 Bewerbungen an Apotheken geschickt,sie hat PKA gelernt, und nur Absagen bekommen, und sie ist dann als Verkäuferin gestrandet.

Ich finde, gerade psychisch Kranke sind sehr hilfsbereit, und wenn ich von meiner Schwester ausgehe, immer freundlich, naja die Aggressionen bekomme ich ja dann auch oft ab [Bild: https://forum.geschwisternetzwerk.de/ima...es/sad.png], sie hilft anderen wo sie kann, nur sich selbst pflegt sie überhaupt nicht. Sie findet Kraft in der Kirche, wir sind katholisch erzogen worden. Aber auch zur Kirche habe ich mittlerweile ein gespaltenes Verhältniss. Ich verstehe nicht, warum es den Schlechten gut und den Guten schlecht geht. Aber ich schweife ab.

So, das wars, bin gespannt auf Rückantworten.

LG
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#2
Hallo Maulwürfel,

ich habe ja den Kontakt zu meinem Bruder abgebrochen - aber nicht, um ihn zu irgendetwas zu zwingen, sondern mehr, um meine eigene Haut zu retten, weil er meist aggressiv auf mich reagiert.

Ich weiß nicht, was Deine Schwester hat, aber die sogenannte fehlende Krankheitseinsicht, sprich: auch das mangelnde Interesse an Behandlung, ist ja bei manchen Krankheiten einfach typisch, z.B. wie bei meinem schizophrenen Bruder. Aus meiner Sicht lässt sich da nichts erzwingen. Was krankheitsbedingt nicht geht, geht nicht. Wenn sich da irgendetwas erzwingen ließe, wüssten wir das alle!

Ich schreibe das jetzt mal so, weil ich denke, Du kannst es halt einfach nicht mehr aushalten, tatenlos zuzusehen, und das kennen wahrscheinlich die allermeisten von uns ebenfalls. Aber Du kannst glaube ich nichts tun, als Wege zu finden, es besser aushalten zu können. Die Beziehung riskieren ist glaube ich nicht der beste Weg, aber ich kenne jetzt Deine genaue Geschichte auch nicht - aber schätzungsweise ist die Beziehung zu Deiner Schwester auch so schon kompliziert und brüchig genug, oder?

Es ist ihr Leben - wenn sie entscheidet, sich nicht behandeln zu lassen, kannst Du es nicht ändern. Das ist jedenfalls meine Erfahrung nach mehr als zwanzig Jahren mit meinem Bruder.

Vielleicht sehen das andere Geschwister auch anders, aber das fällt mir dazu ein.

Viele Grüße,
Jessi
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#3
Hallo Maulwürfel,

ich denke nicht, dass es (kurzfristig) gelingt, mit einem Kontaktabbruch einen psychisch Kranken zum Arzt zu zwingen - obwohl natürlich jeder anders ist. Ich halte Deinen Vergleich mit einem Alkoholiker für sehr treffend. Solange der Kranke sich nicht helfen lassen will, kann man vermutlich nichts erreichen. 

Allerdings überlege ich zunehmend, ob ich durch meine Unterstützung eine Behandlung evtl. verhindere. Meine Schwester lädt so viel Mist bei mir ab, dass das evtl. ihren Leidensdruck soweit verringert, dass sie keine Notwendigkeit für eine professionelle Behandlung spürt. Dabei wäre die für uns alle viel besser. Wenn sie die Möglichkeit nicht mehr hätte, müsste sie sich jemand anders suchen - und das wäre dann potenziell ein Arzt, der ihr besser helfen kann. Ich habe schon in unterschiedlichen Situationen gemerkt, dass ich schlicht das "leichteste" Opfer bin. Wenn ich sie nicht unterstütze, denkt sie durchaus über Alternativen nach.

Keine Ahnung, ob ich das jemals durchziehen kann, aber theoretisch leuchtet es mir ein und wie Seimige glaube ich zudem, dass es auch eine Frage davon ist, was man selber aushält

Ich wünsche Dir alles Gute!

Nick
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#4
Hallo Maulwürfel,

Auch ich kann mit schwer vorstellen, dass man durch einen Kontaktabbruch einen psychisch kranken Menschen zum Arzt zwingen kann. Fehlt die Einsicht, sich helfen lassen, kann man nichts erreichen, meiner Meinung nach auch nicht mit einem Konaktabbruch als Druckmittel. 
Mein Bruder z.B. verträgt Druck gar nicht, er reagiert darauf mit Drohungen und Aggression. Aber jeder reagiert vermutlich anders.

Ein Arzt hat einmal zu meinen Eltern gesagt, man solle den Kontakt nie ganz abbrechen lassen. Über diesen Satz habe ich schon oft nachgedacht. Ich spüre, wie er mich auch ein Stück wütend macht, weil es manchmal Momente gibt, in denen ich aus Selbstschutz wenig oder keinen Kontakt halten kann oder mag.

Den Gedanken von Maulwürfel finde ich interessant. Auch ich habe schon überlegt, ob wir durch unsere Unterstützung verhindern, dass sich mein Bruder professionelle Hilfe holt. Ich bin da immer in einem Zwiespalt. Einerseits denke ich ist es für ihn bequem nach meinen Eltern und mir um Hilfe zu rufen. Andererseits frage ich mich, ob er in akuten Phasen seiner Krankheit überhaupt noch in der Lage ist, sich fremde Hilfe zu holen. Es fehlt ja die Kranheitseinsicht. Ich frage mich manchmal, wie hoch muss der Leidensdruck denn werden, damit diese Einsicht kommt??? Oder kommt dann vorher der "finale Schritt"?

Alles Gute wünscht euch allen
Bigi
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#5
Hallo,

mir sind gerade noch ein paar Gedanken zu diesem Thema eingefallen. Einen tatsächlichen Kontaktabbruch habe ich zu meinem Bruder noch nicht gehabt und weiß ich auch nicht ob ich das könnte. Wie die anderen schon gesagt haben, denke ich nicht das man jemanden dazu zwingen kann zum Arzt oder Therapeuten zu gehen.
Ich versuche mich seit einiger Zeit daran mit meinem Bruder zu besprechen über was ich mit ihm reden möchte und für welche Themen er Meine Hilfe bekommt und für welche nicht. Beispielsweise werde ich nicht zum 100x  mit ihm diskuieren warum sich alles nicht ändern lässt und er nichts machen kann. Wenn er aber Hilfe möchte um sich Unterstützung zu suchen  bin ich sofort dabei. Ansonsten telefoniere ich dann lieber mit ihm über "belangloses" dann kommt es schon nicht dazu das wir uns streiten. Und ich übe mich darin zu sagen, dass ich an bestimmten Tagen/Uhrzeiten etc. eben nicht telefonieren möchte. Das ist gar nicht so leicht und manchmal überkommt mich das gute alte schlechte Gewissen aber ich merke auch das es mir damit besser geht und ich wieder unbefangener in den Kontakt gehen kann. Keine Ahnung ob das für andere Erkrankungsbilder auch Sinn macht. Aber vielleicht habt ihr ja schon ähnliche Erfahrungen gemacht?!?

LG
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#6
Hallo an alle Kümmerer,

danke auch für die Antwort, Sonnenblume. Ja das kenne ich auch mit dem immer und immer wieder das gleiche durchkauen. Morgen kommt meine Schwester zu uns. Sie hat am Dienstag ein Vorstellungsgespräch, nichts tolles, Verkäuferin in einer Bäckerei. Es wird wieder im Desaster enden, das weiß ich jetzt schon. Es wäre für sie eine schöne Arbeit, aber. Sie kann sich halt gar nicht gut verkaufen. Dazu kommt was alle psychisch Kranken haben, sie legt auf ihr Äußeres halt keinen Wert mehr. Es kostet sie schon Kraft, überhaupt ein bißchen Schminke aufzulegen. Ich werde sie dann morgen wieder bitten, doch erst mal ihre Gesundheit zu behandeln. Sie wird es wie immer ablehnen. Am Telefon sagte sie mir gestern, das sie Todesangst davor hat zum Arbeitsamt zu gehen. Ich sagte ihr ja schon, das ich mitgehen werde, das hat sie aber nur am Rande wargenommen. Ich habe auch wieder keine Ahnung, wie es weiter gehen soll. Sie sollte, wenn sie arbeitslos wird, die Gelegenheit nutzen, und sich behandeln lassen, das wird auch ein steiniger Weg, aber den Weg den sie geht, der führt ja auch an kein Ziel.

Mit unserem Hausarzt zu sprechen, macht für mich ja auch keinen Sinn mehr. Er macht halt auch keine Anstalten, sie intensiv zu behandeln. Ich habe mir auch gestern für mich einen neuen gesucht. Ich kann nicht mehr in diese Praxis gehen. Ich gehe dort jetzt nur noch hin, wenn ich für meinen Vater, der ja im Heim ist, was besorgen muss. Ich kriege dort das heulende Elend.

Ich kann meinem Mann nur immer wieder danken, er ist noch mein Anker. Meine Familie ist an der ganzen Situation zerbrochen. Auschlaggebend war allerdings nicht meine kranke Schwester,sondern der Tod meiner Mutter vor 13 Jahren.

Manchmal erschrecke ich mich selber, wenn ich überlege wieviel Jahre man das alles schon ohne Perspektive mit macht.

Alles Liebe
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