Kleiner Schwester braucht Hilfe
#1
Hallo Ihr Lieben,

ich bin neu hier und wollte einfach mal hören, ob jemand ähnliche Erfahrungen gemacht hat/ Tipps hat für mich, da ist selbst nicht mehr genau weiß, was ich am besten machen soll.

Meine jüngere Schwester (22) ist aktuell sehr auffällig und es wird Monat zu Monat schlimmer. Sie nimmt leider keinerlei Hilfe an, weder von mir/meinen Eltern oder anderen Familienmitgliedern oder Freunden. Wir machen uns alle Sorgen und können "nur" zu sehen, wie es schlimmer wird. Ich wohne seit einem Jahr nicht mehr Zuhause sondern in Frankfurt 3 1/2 Stunden weg, kann also auch nicht mehr so für Sie Sorgen, wie davor. Zu mir hat sie eigt. sehr ein enges Verhältnis, da wir nur 1 Jahr auseinander sind.
Ihr Leben ist seit Ihrem Realschulabschluss, wie es Teufelskreis: Jahrelang keinen Ausbildungsplatz gefunden, keine Erfolgserlebnisse, Gewichtsprobleme/Übergewicht, wenige Sozialkontakte/kurze Freundschaften, keine Beziehung/Partner, fühlt sich schon immer als kleine Schwester benachteiligt von allen...

Jetzt hat Sie seit letztem Jahr einen Ausbildungsplatz, wo alle Ihre Träume wahr werden und Sie riskiert immer wieder die Kündigung durch Ihr Verhalten, wie dass Sie die Post z.b nicht wegschickt sondern zu Zuhause regelrecht hortet, sich dauerhaft krankschreiben lässt bzw sogar vor kurzem 2 Wochen untentschuldigt gefehlt hat und mittlerweile bekommt Sie es garnicht mehr auf die Reihe psychisch dahin zu gehen. Sie reagiert dann immer zickig und wird laut, wenn man Sie drauf anspricht / Ihr helfen will und sagt es sei alles in Ordnung und Sie klärt es. Es gibt irgendwie keine Perspektive... 

Durch Ihren mehr oder weniger Jobverlust, hat Sie natürlich kein regelmäßiges Einkommen und hat jetzt auch noch ein Polizeiverfahren wegen Betrug am Hals... und selbst dazu konnte Sie sich nicht äußern bzw interessiert das garnicht und wenn meine Eltern nicht durch Zufall Ihre Post abfangen würden, hätte Sie den Brief verschwinden lassen.

Sie versinkt im eigenen Chaos.. sei es in Ihrem Zimmer, wo Sie Essensreste, Müll etc hortet oder im sozialen Umfeld. Lediglich eine Freundin und Ich sind mit Ihr "befreundet" und unternehmen was mit Ihr.

Ihr Selbstwertgefühl ist schätze ich auch im Keller...

Sie wirft mir und meinen Eltern immer vor, wenn es zur Aussprache kommt, dass wir Schuld sind, dass Sie so ist und das ich immer bevorzugt werde.
Das ist halt dieser typische Geschwister Vergleich, vielleicht kennen es einige? Bei dem einen läuft alles Rund, Schule, Job, Sozialleben etc und bei dem anderen nicht...
Ich lebe Ihr halt alles vor, was Sie nicht hat und bei unserer gemeinsamen Freundin ist es genauso...
Man versucht immer sich zurück zunehmen und will Rücksicht nehmen aber es geht halt nicht immer.

Ich beschäftige mich rund um die Uhr mit Ihr weil immer irgendwas ist, telefoniere mit meinen Eltern, unserer Freundin, meiner Tante weil Sie ja nie mit uns über sowas redet.

Sie war mittlerweile zumindest mal beim Arzt und Depressionen wurden diagnostiziert aber Sie scheint nicht bereit zu sein etwas dagegen zu tun. Sie schafft es nichtmal Ihre Ausbildung zu meistern oder andere Dinge aufrecht zu erhalten... ich mache mir Sorgen und möchte, dass Sie sich endlich helfen lässt. Wir haben es so oft versucht, uns Rat geholt, Ihr Beratungsstellen gezeigt...

Mich beschäftigt das so, dass ich selber total eingeschränkt bin... manchmal bin ich froh, dass ich nicht mehr Zuhause wohne und Abstand davon habe aber man bekommt es ja nicht auf dem Kopf.

Hat jemand ähnliche Erfahrungen oder Tipps ? Verhalte ich mich richtig? Ich zweifel oft an mir deswegen...

Danke euch und LG,
Doreen
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#2
Hallo Doreen,

Ein warmes Willkommen an Dich und vielen Dank, dass Du Dein Erleben teilst!

Ich weiß nicht, ob manTipps geben kann, was am besten zu tun ist, es ist ja nicht ganz leicht ein ganzes Bild zu sehen - aber ich schreibe mal die Gedanken auf, die mir beim Lesen in den Kopf kommen.

Zunächst, ja, es ist schwierig damit zurechtzukommen, einerseits eine der wenigen Bezugspersonen zu sein und von Herzen helfen zu wollen - und anderseits für das "so sein, wie man ist" Vorwürfe und Angriffe zu erleben, tätig und tatkräftig zu sein und sich gleichzeitig zurückzunehmen. Ich glaube, das kennen viele hier. Mir jedenfalls ist es vertraut - auch wenn meine Schwester, als Anorektikerin, am liebsten eher auf dem entgegengesetzten Ende der Skala "Chaos / Kontrolle" stand.

Deine Schwester hat viele Baustellen gleichzeitig offen - oh weh. Es ist leicht sich vorzustellen, dass sie darüber keinen Überblick findet und es schwer hat, sich selbst zu helfen. Du dagegen scheinst eine "Macherin" zu sein, im täglichen Leben Struktur und Strategien gut umsetzen zu können und hast Stress - und Fehlertoleranz entwickelt. Zu diesen "Fertigkeiten" scheint Deine Schwester in ihrer Lebensumbruchsphase nicht leicht Zugang zu finden - oder sie ist "blockiert".
Sich mit anderen zu vergleichen und mit anderen verglichen zu werden ist, so glaube ich, zutiefst menschlich. Es hilft dabei, die eigene Position zu finden und uns ins Verhältnis zueinander und zu unseren Lebensumgebungen zu setzen. Ich sehe es so, dass dieses nützliche Instrument problematisch wird, wenn der "orientierende" Vergleich mit Erwartungen und Druck verknüpft empfunden wird. Dabei ist es ja egal, ob Erwartungen und Druck in einem selbst entstehen, oder von aussen an einen herangetragen werden .. z.B. durch Rollenvorbilder, Eltern, Schule, Arbeitsplatz.

Wenn es zwischen Dir und Deiner Schwester grundsätzlich gelingt, das nicht als "Geschwistervergleich" zu sehen, sondern eher sachlich und quasi als Überschrift, ist es vielleicht möglich, die "Kränkung" für duch beide in den Hintergrund zu schieben. Praktisch denken ...!

Chaos und Depression ist ein großer Strudel, ein bisschen wie eine Windhose ... darin ist schwer Halt zu finden. Vielleicht können Deiner Schwester "kleine" praktische Handlungsstrategien nützen? So etwas wie Hormonspiegel und Schilddrüse gründlich checken lassen, körperliche Faktoren wie Medikamente, mögliche Allergien und Nahrungsmittelunverträglichkeiten unter die Lupe nehmen lassen?
Manchmal entsteht ein solches Chaos nicht nur "im Kopf". Aber vielleicht habt ihr das ja auch schon gemacht? Es kann entlastend sein, sich solche Zusammenhänge genauer anzuschauen.
Einen Kalender einzurichten, eine Prioritäteniste zu schreiben, To-Do Liste, Ausmisten, Garderobenwechsel, Aufräumen ... kleine, beherrschbare Bereiche zu ordnen und den Versuch zu machen, alltägliche Gewohnheiten zu verändern. Könnte Deine Schwester so etwas annehmen?

Ihr "großes Ganzes" ist nicht auf einmal zu lösen. Das ist für sie - und für Dich allemal - viel zu viel.

Ja, jetzt hoffe ich, das klingt nicht zu verworren oder banal im Verhältnis zu den vielen Baustellen, mit denen Deine Schwester zurechtkommen muss und bei denen Du und Deine Familie sie zu unterstützen versucht ... 

Viel Kraft und Ausgeglichenheit wünsche ich Dir!


Herzlich,
Steffi
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#3
Hallo Doreen,

ich weiß nicht, wie alt du bist. Ich bin bald  53 Jahre und kümmere mich um meine Schwester, die ein Jahr älter ist. Ich mache das schon seit ich ca. 30 bin. Ich will dir auch keinen Rat geben, deiner Schwester nicht zu helfen. Ich denke, wenn ihr ein Jahr auseinander seit, habt ihr ein sehr inniges Verhältnis, das habe ich zu meiner Schwester auch. Was mich aber immer mehr umtreibt ist das. Vielleicht hätte man sich auch mal nicht kümmern sollen. Vielleicht wäre dann einiges so gar besser gelaufen, wenn die Kranken mal nicht auf die Hilfe von uns vertraut hätten. Wenn man mal gesagt hätte, gehe deinen eigenen Weg und lass mich in Frieden. Mal nicht derjenige sein, der die ganzen Aggressionen abbekommt. Wir können ja auch nichts dafür, wenn es bei uns besser läuft.

Ich habe dies nicht getan. Und so wie es aussieht, kannst du das auch nicht. Ihr habt ja auch schon das ganze durch. Beratungsstellen, Gespräche mit dem Hausarzt usw. Alles nichts gebracht.

Noch sind deine Eltern da, wenn diese aber auch nicht mehr können, wirst du weiter in die Rolle des Kümmerers reinwachsen. Versuche ein bißchen auf Abstand zu gehen, das ist schwer, ja. Du darfst dein eigenes Leben nicht vergessen. Es geht deiner Schwester auch nicht besser, wenn es dir auch schlecht geht. Wir Kümmerer haben es ja so an uns, das wir ein schlechtes Gewissen bekommen,da es uns ja gut geht und dem Geschwisterchen schlecht.

Alles Liebe
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#4
Hallo Doreen,
 noch ein späte Antwort vielleicht hilft es noch ein bisschen.
Ich habe bei meinem Bruder die Erfahrung gemacht, dass meine Hilfsangebot nur etwas bringt wenn er gerade dazu bereit ist. Das heißt ich lerne auszuhalten, dass er mal für einige Zeit in seinem Chaos versinkt und ich eben nichts tun kann. Hilfe ob von Angehörigen oder professionellen Helfern hilft eben nur dann wenn sie gewollt wird. Auch wenn das schwer auszuhalten ist.
Daher mein Tipp wenn man so will: Lebe dein Leben weiter, achte darauf dass es dir gut geht und signalisiere deiner Schwester dass du da bist wenn du sie brauchst! Manchmal hilft es auch mal einfach nur über die Banalitäten des Alltags miteinander zu reden um mal wieder normale Zeit miteinander zu haben.
Ganz viel Kraft für dich!
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